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Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Titel: Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Wüllenweber
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jemand bereits einen ökonomischen und gesellschaftlichen Status hat, den zu sichern sich lohnt. Auf die Unterschicht trifft das nicht zu. Ihre einzige Chance ist Statuserwerb. Statussicherheit oder Statuserwerb sind keine unterschiedlichen Wege, die zum selben Ziel führen. Es sind verschiedene Ziele.
    Mit seiner konsequenten Bevorzugung wohlfahrtstaatlicher Transferpolitik vor dem Ausbau eines fairen Bildungssystems hat sich Deutschland im internationalen Vergleich radikal für die Sicherheit entschieden, für den Status quo. Es ist eine Entscheidung für die Interessen der Mittel- und Oberschicht. Und gegen die Unterschicht.
    Hilfe, die nicht hilft
    Auf die Existenz der neuen Unterschicht ist Deutschland insgesamt nicht eingestellt. Das Bildungssystem wäre die Institution, mit dessen Hilfe die Benachteiligung wirksam bekämpft und wenigsten die Chancen der nächsten Unterschichtsgeneration entscheidend verbessert werden könnten. Doch wir haben gesehen: Das Bildungssystem orientiert sich an den Interessen der Mittel- und der Oberschicht und verstärkt die Ausgrenzung sogar noch.
    Für die Unterschicht ist in Deutschland einzig der Sozialstaat zuständig. Umso erstaunlicher ist es, dass auch die Systeme der Hilfe nicht auf die Bedürfnisse der Unterschicht eingestellt sind.
    Wer das deutsche Steuerrecht für das komplizierteste von Menschen gemachte Labyrinth hält, der irrt. Die deutschen Sozialgesetze sind noch erheblich undurchsichtiger. Im Irrgarten der Steuergesetze finden sich nur die Experten zurecht. In den Vorschriften des Sozialstaates niemand, nicht mal die Experten: »Es gibt im Bereich des Sozialen Vorschriften und Paragrafenwürmer, die kann man auch als Jurist nicht mehr verstehen. Ich verstehe sie auch nicht«, sagt Monika Paulat. Dabei müsste gerade sie den Durchblick haben. Paulat ist Präsidentin des Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg und zudem Präsidentin des deutschen Sozialgerichtstages.
    »Den Gesamtüberblick über das Gebiet des Sozialrechts, den kann man nicht mehr haben«, sagt Winfried Boecken. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Sozialrecht an der Uni Kostanz.
    Wenn die Sozialgesetze angewendet werden, suchen Betroffene aus ganz Deutschland die Hilfe des Oldenburger Anwalts Alfred Kroll. Seit Jahrzehnten beschäftigt er sich so intensiv wie kaum ein Zweiter mit dem Sozialrecht, seinem Fachgebiet. Und dennoch hat er ein Problem: »Als Anwalt ist man verpflichtet, seine Mandanten rechtlich richtig zu beraten. Aber welcher Anwalt kann das im Sozialrecht garantieren?«
    Schließlich gesteht auch Karl Schiewerling: »Es gibt in unserem Sozialstaat Bereiche, die so kompliziert sind, da muss ich ehrlich zugeben, dass ich da auch nicht überall durchblicke.« Schiewerling sitzt für die CDU im Bundestag, ist dort einer der profiliertesten Sozialpolitiker und Mitglied im zuständigen Ausschuss Arbeit und Soziales. Viele Legislaturperioden war auch die ehemalige stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU , Ilse Falk, Mitglied in diesem mächtigen Ausschuss. Sie hat mir einst erklärt, wie dort gearbeitet wird: »Manchmal wird es in Sitzungen ziemlich kompliziert. Dann fragt man einen Kollegen, ob er das noch versteht. Und der schüttelt auch nur den Kopf.« So werden Sozialgesetze gemacht.
    Die Richter verstehen das Recht nicht, das sie sprechen sollen. Anwälte können ihre Mandanten nicht mehr beraten. Wissenschaftler verlieren den Überblick. Und Politiker der zuständigen Ausschüsse verstehen die Gesetze nicht, die sie selber machen. Willkommen im deutschen Sozialstaat. Hier ist der Gesetzgeber ein Messi, der die gesamte Struktur der staatlichen Hilfssysteme niemals geordnet hat, schon gar nicht nach einem System. Der deutsche Sozialstaat leidet an der undeutschesten aller Krankheiten: an Unordnung.
    Wie komplett das Chaos ist, wird klar, wenn man sich die deutsche Frage stellt: Wer ist hier eigentlich zuständig? Bund? Land? Kommune? Sozialversicherung? Verantwortlich zeichnen zunächst vier Ministerien auf Bundesebene: Arbeit und Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie und schließlich Bildung. Aber Bildung ist Ländersache, und die Jugendämter unterstehen den Kommunen. Sieht also so aus, als wären alle zuständig – und damit keiner. Eine Strategie, ein politisches Konzept, wie überforderten Familien aus der Unterschicht geholfen werden kann, existiert in Deutschland weder im Bund noch in den Ländern, nicht in den Kommunen und in keinem Ministerium. Nirgendwo.
    Es

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