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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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zusammengesackt auf der Seite, die Kehle aufgeschlitzt, doch es waren immer noch sechs weitere übrig.
    Zu viele für Erick. Zu viele.
    Ich rollte mich auf die Seite und japste, als die Schmerzen wieder aufflammten. Trotzdem rappelte ich mich auf einen Arm und ein Knie.
    Den Dolch hielt ich immer noch in der Hand.
    Ich quälte mich in eine geduckte Haltung und drehte mich dem Kampf zu. Die Männer rückten vor.
    Erick schaute zu mir. »Lauf!«, rief er. Sein Tonfall strotzte vor Befehlsgewalt – es war die Stimme, mit der er mich ausgebildet hatte. Seine Augen blitzten, und er wiederholte: »Lauf!«
    Einer der Männer – Criss – drehte sich um, und ich wirbelte herum, stolperte, fing mich wieder und stürmte los, gehorchte, ohne nachzudenken.
    Hinter mir hörte ich das Klirren von Klingen, einen schmerzlichen Aufschrei Ericks und das triumphierende Gebrüll eines seiner Gegner.
    Dann war ich auf der Straße und flüchtete die Häuserschluchten und Gassen entlang, die ich nicht kannte. Ich lief, ohne zu wissen, wohin. Schmerzen begleiteten jeden meiner Schritte – Schmerzen im Bauch, in der Brust, in der Schulter. Mein Gesicht pochte, und von der aufgeplatzten Lippe lief mir Blut über das Kinn und den Hals hinunter.
    In einer Gasse, etwa hundert Schritte entfernt, kam ich stolpernd zum Stehen und schnappte nach Luft, als mir klar wurde, dass niemand mich verfolgte. Mit dem ausgestreckten Arm stützte ich mich an einer Mauer ab und hustete. Meine Augen brannten, mein Haar war zerzaust und verfilzt. Durch meine Lippe pulsierten nie gekannte Schmerzen. Auch am Hals, wo Criss die Klinge angesetzt hatte, spürte ich ein dünnes Bandaus Schmerz. Wenigstens der Schmerz in meiner Brust verebbte, als der Hustenanfall endete. Die Atemzüge fühlten sich nicht mehr so stechend an. Ich hoffte nur, dass innerlich nichts verletzt war.
    Plötzlich fühlte ich mich wieder wie mit vierzehn Jahren auf dem Siel. Ich richtete mich auf.
    Dann hörte ich Williams Stimme: Jetzt hast du eine Wahl.
    Mir stockte der Atem, und ich starrte auf die schwarze Straße hinaus. Ich würgte, hustete, spuckte weiteres Blut und zuckte ob der Schmerzen in meiner Brust zusammen. Ich dachte an Erick, an Alendor, an Criss.
    Schlagartig erschienen mir die Schmerzen in der Brust nicht mehr so schlimm. Weil ich nicht mehr vierzehn war und auf den nächsten Tritt, das nächste »Dirne!« wartete. Weil ich nicht mehr auf Borund zu hören brauchte … oder auf Erick.
    Ich stieß mich von der Wand ab und wankte zurück in Richtung der Gasse. Als ich deren Eingang erreichte, ließ ich die sich windende Schlange der Wut in mir frei und hüllte mich in den Fluss und in das Feuer wie in einen Mantel, sodass der Schmerz gedämpft und in den Hintergrund gedrängt wurde. Aber ich würde einen Preis dafür bezahlen müssen. Ich spürte bereits, wie Übelkeit in mir aufstieg – eine Übelkeit, die ich seit über einem Jahr nicht mehr verspürt hatte, seit der Begegnung mit Blutmal. Allerdings war ich seither auch nie so weit und so lange in die Tiefen des Flusses getaucht.
    Doch es spielte keine Rolle. Alles, was zählte, war Erick.
    Ich bog um die Ecke, bewegte mich mit der flinken, geräuschlosen Verstohlenheit, die ich mir am Siel angeeignet hatte, geschmeidig wie eine Katze. Am fernen Ende der Gasse sah ich, wie die Männer Ericks auf dem Boden liegenden Körper umringten und lachten, wobei sie auf ihn eintraten. Dabei riefen sie einander zu und stachelten sich gegenseitig an. Criss stand ein Stück abseits der Gruppe. Außer ihm waren nur noch vier Männer übrig. Zwei weitere Leichen lagen in der Gasse.
    Erick blieb wenig Zeit. Innerhalb der nächsten zwanzig Atemzüge würde er tot sein, wenn ich nicht handelte. Criss würde ihn töten. Während ich ihn beobachtete, lächelte er. Es war dasselbe träge, grausame Lächeln, das ich bei Garrell Karren gesehen hatte, als er auf das kleine Mädchen mit der grünen Schleife hinuntergeblickt hatte.
    Ich stieß mich von der Wand ab. Der Schmerz war vergessen. Alles wurde klar und scharf.
    Mir blieben zwanzig Atemzüge.
    Der erste Mann starb zwei Atemzüge später, als ich meinen Dolch aufwärts schnellen ließ und wieder zurückzog. Ruckartig krümmte der Mann sich nach vorn, dann zuckte er nach hinten und fiel, doch ich bewegte mich bereits weiter. Ich spürte, dass Criss mich sah, hörte sein Einatmen wie ein Japsen im Ohr. Doch er war am weitesten entfernt, sodass er Erick nichts anhaben konnte.
    Zuerst die

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