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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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dort aus die Elendsviertel auf der anderen Seite sehen, und dieser vertraute Anblick war tröstlich. Aber die Frau hatte recht: Ich konnte nicht weiter in dieser Gegend jagen, erst recht nicht, wenn ich den Fluss nicht verwenden konnte.
    Ich hielt inne, biss mir auf die Unterlippe und versuchte, vorsichtig unter die Oberfläche zu tauchen. Für einen Moment wurde die Welt grau, und sämtliche Geräusche wurden zu einem Brausen, einem Rauschen wie der Wind in den Bäumen. Aber das Gefühl war verzerrt und undeutlich.
    Dann kehrte der Stachel des Schmerzes zurück, drang durch meine Schläfe. Schwäche fuhr mir in die Beine.
    Ich tauchte aus dem Fluss auf, ehe die Schmerzen zunahmen, und seufzte vor Erleichterung, als der sengende Stachel sich zurückzog.
    Als meine Beine mich wieder sicher trugen, setzte ich den Weg fort. Ich wusste nicht, wo sich der Marktplatz befand, aber der Kai …
    Ich hatte ihn von den Dächern aus gesehen, in der Nacht, in der mich der ehemalige Gardist gefangen und dort hinaufgeschleift hatte, um mich zu vergewaltigen. Ich erinnerte mich daran, wie das Weiße Feuer durch den Hafen gefegt war, so kalt und leise, und ich wusste noch, wie es die Schiffe und Docks umfangen hatte, ehe es an Land gebrandet war. Ich brauchte dem Fluss nur hinunter zum Meer zu folgen.
    Ich schauderte und spürte, wie sich das Feuer in mir regte.
    Halb in der Erwartung, die stechenden Kopfschmerzen und die Übelkeit würden wieder einsetzen, versteifte ich mich, doch die kalte Flamme des Feuers trieb davon. Anscheinend war das Feuer unabhängig vom Fluss.
    Mir knurrte der Magen.
    Ich beschleunigte meine Schritte. An den Docks würde ich mehr Glück haben.

    Ich kniete zwischen zwei Kisten hinter einem Haufen verworrener Netze am Kai und beobachtete, wie ein Schiff mit drei Masten heftig gegen das lange Holzdock prallte. Ein Mann brüllte etwas. Hart und barsch übertönte seine Stimme das Klatschen der Wellen, und Männer eilten umher, als Taue über die Reling des Schiffes geworfen wurden. Das Dock ächzte, als das Schiff an den Leinen zerrte. Dann wurde eine Planke heruntergelassen, und weitere Männer begannen, die Fracht abzuladen und Kiste um Kiste auf das Dock zu befördern. Einige der Männer, die mit dem Entladen beschäftigt waren, hatten dunkle Haut – dunkler, als man es nur der Sonnenbräune zuschreiben konnte. Ihre Gesichter waren flacher und breiter, ihre Körper kleiner und gedrungener. Alle dunkelhäutigen Männer hatten glattes schwarzes Haar, das ihnen bis zum Halsansatz reichte. Die meisten hatten Tätowierungen in den Gesichtern und an den Hälsen.
    Zorelli. Menschen aus dem fernen Süden.
    In der Hoffnung, einen besseren Blick auf sie zu erhaschen, arbeitete ich mich vorsichtig vor.
    Chaos herrschte. Zahllose Männer schufteten auf dem Schiff und auf dem Dock. Jemand brüllte Befehle, deutete mit einem Arm auf den Kai, dann aufs Schiff und stritt mit einem anderen Mann, der die Planke herunterkam, als gehörte ihm der Segler. Letzterer bedachte den Mann, der Befehle brüllte, mit einem finsteren Blick; dann erteilte er selbst eine knappe Anweisung. Der andere Mann wandte sich dem Schiff zu und brüllte noch wilder als zuvor, fluchte wütend und ließ seinen offenkundigen Unmut an der Besatzung aus.
    Der Kapitän trat von der Planke weg und neigte den Kopf in Richtung eines anderen Mannes, der am Pier wartete. Beidetrugen feine Hosen, schwere Stiefel, Hemden mit Rüschen am Kragen und lange Jacken, die ihnen bis zu den Knien reichten. Der Mann auf dem Dock war in eine dunkelrote Jacke gekleidet, eine Farbe wie Blut, mit Goldfäden in seltsamen Mustern entlang der Ärmel und um die Manschetten. Er war fast kahl; nur ein Saum von dunklem, grau gesprenkeltem Haar umgab den Kopf wie rotbrauner Sandstein einen Brunnen. Im Gesicht trug er ein rundliches Drahtgestell mit Haken, die um seine Ohren fassten. Wenn er sich drehte, gleißte Sonnenlicht in seinen Augen, als würde es vom Wasser gespiegelt.
    Der Kapitän des Schiffes trug dunkelgrüne Kleidung mit weniger Goldfäden, dafür besaß er mehr Haare und trug kein Drahtgestell im Gesicht.
    Während ich das Geschehen beobachtete, begannen der Kapitän und der Mann mit der roten Jacke hitzig miteinander zu reden. Als das Streitgespräch beendet war, stürmte der Kapitän wieder die Planke hinauf, während der Mann mit dem Drahtgestell ihm nachschaute.
    Schließlich bewegte sich der Mann mit dem Drahtgestell über das Dock in meine Richtung, die Augen

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