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DIE ASSASSINE

DIE ASSASSINE

Titel: DIE ASSASSINE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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strömte mir aus den Haaren übers Gesicht. Ich keuchte und spuckte. Dann rieb ich mir die Haut, zog an meinem Haar, ehe ich mich erneut ins Fass beugte, um den Schmutz abzuwaschen – um mit einem weiteren erstickten Keuchen wieder aufzutauchen.
    »Wo habt Ihr diese Frau gesehen?«
    Die Stimme übertönte die allgegenwärtigen Geräusche der Straße. Ich drehte mich um, das Haar noch immer triefend vor Wasser. Als ich den Blick durch die Gasse schweifen ließ, bemerkte ich einen weiteren Unterschied zwischen dem Siel und dem wahren Amenkor.
    Die Gassen waren nicht so dunkel und boten weniger Verstecke. Fenster und Türen erfüllten hier ihren eigentlichen Zweck; sie waren nicht bloß Öffnungen, die in noch tiefere Finsternis führten. Hier gab es nur wenige Orte, an die man flüchten konnte.
    »In dieser Gasse«, sagte eine weibliche Stimme.
    Ich spähte zur Straße und sah sie – die Frau, die den Jungen, Perci, fortgeschleift hatte. Sie stand mit Perci da und wies mit dem Kinn in die Gasse. Ein Gardist, gekleidet wie Erick, jedoch mit feineren Gewändern, schimmernder Rüstung und einem Schwert statt eines Dolches, folgte der Richtung ihres Nickens.
    »Und Ihr sagt, sie hatte Blut an den Händen?«, fragte der Gardist. Seine Stimme klang zweifelnd.
    »Ja. Und im Gesicht und an den Kleidern. Außerdem glaube ich, sie hatte ein Messer.«
    Der Gardist knurrte und setzte sich in Bewegung, kam in meine Richtung.
    Ich drehte mich um und lief los, tiefer in die Gasse hinein. Ich lief, ohne nachzudenken. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich sollte, aber ich wusste, hier konnte ich nicht bleiben. Ich würde mich woanders zu Ende waschen müssen.

    Das erste Mal, als ich versuchte, den Fluss zu benutzen, nachdem ich Blutmal getötet hatte, stieß mir ein Stachel des Schmerzes hinter die Augen, und mein Magen verkrampfte sich so heftig, dass ich an der Mündung der Gasse zusammenbrach. Gekrümmt lag ich da und atmete in gierigen, keuchenden Zügen. Panik überfiel mich, als der Schmerz zunahm und der Stachel tiefer vordrang, sich verhärtete, heiß und lodernd wurde.
    Ich hatte noch nie so schreckliche Schmerzen gehabt. Nicht Tage nach der letzten Verwendung des Flusses. Erst recht nicht, nachdem die Übelkeit und Schwäche sich gelegt hatten.
    Und dann kam mir ein grauenerregender Gedanke. Der Atem stockte mir so abrupt, dass ich einen reißenden Schmerz in den Lungen verspürte.
    Was, wenn ich den Fluss nun gar nicht mehr verwenden konnte? Was, wenn ich mich in meinem Übereifer, Blutmal zu finden, zu sehr verausgabt hatte und nun ausgebrannt war?
    Die Vorstellung verdrängte alles, zerschmetterte alles außer dem Stachel hinter meinen Augen und einem hohlen Geräusch in meinen Ohren. Ich war wie betäubt.
    Ohne den Fluss konnte ich nicht überleben.
    Jemand berührte mich – eine sanfte Hand an meiner Schulter.
    Ich zuckte zurück, sog scharf die Luft ein, stieß gegen die Gassenmauer.
    »Alles in Ordnung?«
    Ich konnte die Frau kaum sehen, die neben mir kniete. Ihre Hände ruhten auf ihren Knien. Ein seltsamer gelber Vorhang – wie ein Schmutzfilm auf Wasser – trübte meine Sicht, pulsiertemit dem Pochen des Stachels. Gezackte kleine Schlieren durchzuckten den gelben Vorhang wie Blitze.
    »Es … es geht mir gut«, stieß ich hervor, zu verängstigt über das, was in meinem Kopf vorging, um vernünftig zu antworten, nüchtern nachzudenken.
    Die Frau setzte sich zurück. Ihr Kleid raschelte dabei; es hörte sich unnatürlich laut in der Stille an. »Du siehst gar nicht gut aus.« Ihre Stimme wirkte gedämpft und schien aus weiter Ferne zu mir zu dringen.
    Ich versuchte angestrengt, durch den gelben Vorhang zu blicken, und stützte mich auf die Hände. Die pulsierenden Blitze verschwanden allmählich. »Es geht mir gut«, wiederholte ich, diesmal mit mehr Kraft.
    Die Frau runzelte zweifelnd die Stirn und schaute zurück zur Straße. Ihr braunes Kleid war schlicht, aber sauber. Das lange hellbraune Haar hatte sie mit einer einfachen grünen Schleife zurückgebunden, um es aus dem rundlichen Gesicht zu halten. In einem Ohr trug sie einen Ring – golden und mit einer blaugrün schimmernden Perle.
    Sie erinnerte mich auf seltsame Weise an Wasser.
    Auf der anderen Straßenseite luden ein Mann und zwei ältere Jungen Kartoffelsäcke von einem Wagen, warfen sich je einen schweren Sack über die Schulter und schleppten sie durch eine breite Tür in das Gebäude dahinter. Ein Sack war aufgebrochen, als er angehoben wurde, und

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