Die Assassinen-Prinzessin (German Edition)
Kleidung in westlicher Richtung durch die Gebirgslandschaft. Die kleinen Wachaußenposten von Falkenau hatte er bereits hinter sich gelassen und befand sich nun im Niemandsland – dem schätzungsweise eine halbe Meile breiten Grenzstreifen zwischen seiner eigenen Heimat Palderan und dem Feindesland Terilon. In etwa fünfzig Schritten Entfernung konnte er die Außenposten der terilonischen Wache erkennen. Er war sich sicher, dass jene das vor sich liegende Land aufmerksam überwachen würden und eventuell sogar Patrouillen hier draußen hatten. Daher wagte er es nicht, sich anders als kriechend fortzubewegen – auch wenn er diese Art der Fortbewegung mehr als jede andere hasste. Trotz seiner Abneigung bewegte er sich auch nicht besonders schnell vorwärts, da ihn das für die Späher nahezu genauso gut sichtbar gemacht hätte wie normales Gehen.
Insgesamt dauerte es eine gefühlte Unendlichkeit, bis er endlich an der ersten Verteidigungslinie Terilons vorbei war und sich von da an im Laufschritt tiefer ins Landesinnere hineinbegab. Das Passieren hatte ihn lediglich eine kurze Kletterpartie und den terilonischen Krieger, welcher ihn entdeckt hatte, ein gebrochenes Genick gekostet.
*****
Nach einem weiteren Tag des Fragens als Dynoran und einer Nacht der Suche als Todeshand stand der Assassine in der heutigen Nacht vor einem riesigen Anwesen in Giltaro, der Hauptstadt Terilons. Dieses sah auf den ersten Blick genauso aus wie das in Falkenstadt, wo er Todesklinge begegnet war. Während er kurz darauf durch die Hallen und Gänge des Hauptgebäudes schlich, fielen im allerdings Unterschiede in der Anordnung der Räumlichkeiten auf. So befand sich die große Empfangshalle beispielsweise nicht im Erdgeschoss, sondern im ersten Stock, und war auch nicht im Ostflügel, sondern im Westflügel angesiedelt. Außerdem patrouillierte auf dem gesamten Grundstück eine fast schon unvorstellbare Anzahl von Wachen.
Die Empfangshalle verfügte an drei Wandseiten über eine breite Galerie, von deren erhöhter Position aus der Assassine unter sich das Gespräch eines fetten, nahezu kahlköpfigen Mannes mit einer vollkommen in schwarz gekleideten und maskierten Gestalt verfolgen konnte.
"Ich will keine Widerrede hören, Boltar!", sprach der Dicke. "Du wirst dich unverzüglich nach Falkenstadt zurückbegeben und dort auf ihre Rückkehr warten! Wie soll ich ihr sonst ihren zweiten Auftrag zukommen lassen, falls sie den ersten tatsächlich überlebt?"
"Aber Herr, sie wird mich töten, sobald ich ihr sage, dass sie den Jungen nicht bekommt, ehe sie nicht eine weitere Aufgabe für Euch erledigt hat", protestierte der Maskierte. "Sie wird behaupten, dass Ihr Euch nicht an die Abmachung halten wollt und mich umbringen."
"Das hast du selbst zu verantworten. Immerhin hast du sie in mein Heim gebracht. Seit wann bist du überhaupt so ängstlich?"
"Ich habe keine Angst, ich bin nur nicht lebensmüde. Diese Frau ist die perfekte Mörderin und hat mir mittlerweile mehrfach bewiesen, dass ich ihr nicht gewachsen bin."
"Das ändert nichts an der Tatsache, dass ich dir befehle, nach Falkenstadt zurückzukehren. Sage ihr einfach, dass ich zu keinem Zeitpunkt behauptete, den Jungen bereits nach
einem
Auftrag freizugeben! Meine Worte lauteten:
sobald sie meinen Willen erfüllt hat
. Und um das zu erreichen, muss sie einfach noch eine Sache mehr für mich erledigen."
"Das wird sie nicht akzeptieren, Herr. Ihr habt sie selbst erlebt. Sie wird mich töten!"
"Dann sage ihr einfach, dass ich den Jungen töten werde, wenn ich nicht spätestens in einer Woche, ab jetzt gerechnet, wieder von dir höre! Diese Diskussion ist hiermit beendet."
"Aber, Herr …"
"Ich wiederhole mich ein letztes Mal:
Du
hast sie in mein Haus gebracht und mich damit zur Flucht gezwungen. Jetzt musst
du
die Konsequenzen tragen."
"Aber sie sah doch nicht einmal irgendetwas, Herr! Und ich führte sie über so verworrene Wege zu Euch, dass sie Euer Anwesen niemals alleine finden würde."
"Hast du nicht gerade eben gesagt, dass sie die perfekte Mörderin ist und du ihr nicht gewachsen bist? Warum hätte ich also darauf vertrauen sollen, dass sie mich schon nicht finden wird, du Dummkopf? Jetzt verschwinde endlich aus meinen Augen und kehre nicht eher zurück, bis du dich nicht mit ihr getroffen hast!"
"Zu Befehl, Herr!", teilte der Mann in Schwarz schließlich widerwillig seinen Gehorsam mit und verschwand nach einer tiefen Verbeugung aus der Halle.
Junge? Perfekte Mörderin?
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