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Die Aufrichtigen (German Edition)

Die Aufrichtigen (German Edition)

Titel: Die Aufrichtigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Bergh
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verschwunden?
    »Christus wird glorreich auferstehen vom Tod. Sein Licht vertreibt das Dunkel der Herzen.«
    In diesem Moment erblickte der Pater zu Füßen des Sarkophags Maiorinus‘ Gesicht inmitten der Gläubigen. Er konnte nicht weitersprechen. Schon suchten die ersten zu erkunden, worauf sich der Blick des Paters gerichtet hatte. Da entstand eine Unruhe hinter dem Jungen. Die Leute murmelten durcheinander. Eine junge Frau tauchte auf. Sie legte ihre Hand auf Maiorinus‘ Schulter. Pater Donatus wollte aufspringen, zwang sich aber zur Ruhe. Trotz des Zwielichts sah man ihn erbleichen. Die Kerze entglitt seiner Hand und verlosch auf dem Boden. Nach ein paar Schreckenslauten aus der Mitte der Gemeinde war es für einen Augenblick totenstill in der Nassauer Kapelle.
    Sophie drehte den jungen Mann zu sich herum.
    »Ich verhafte Sie wegen des Mordes an Professor Ernst Spohr in München. Sie haben das Recht, einen Anwalt anzurufen und das Recht zu schweigen. Alles, was Sie jetzt sagen, kann später gegen Sie verwendet werden.«
    Maiorinus sackte zusammen. Sophie musste ihn stützen. Inzwischen hatten sich ein paar der Polizisten, die Leo verständigt hatte, vorgearbeitet, packten den Verhafteten und zogen ihn mit sich fort. Sophie wandte sich dem Pater zu, setzte ein unschuldiges Lächeln auf und sagte leise doch unüberhörbar:
    »Lassen Sie sich bitte nicht weiter stören.«
    »Hör‘ zu, spiel hier nicht den Erschütterten. Ich krieg dich sowieso!«, herrschte der Kommissar den Jungen an, der auf einem unbequemen Kunststoffstuhl mitten im Verhörzimmer hockte. Es war ziemlich dunkel. Nur eine Lampe stand auf dem Tisch und leuchtete Maiorinus mitten ins Gesicht. Die Worte prasselten wie Schläge auf ihn ein. Er hatte keine Kraft zu sprechen.
    Leo und Sophie verfolgten das Verhör nun seit beinahe einer Stunde im Nebenraum hinter der großen Spiegelscheibe, durch die man in das Verhörzimmer sehen konnte. Es war Sophie anzusehen, dass sie am Liebsten an der Stelle des Kommissars gewesen wäre. Immerhin hatte ihr Chef sie wegen des eigenmächtigen Einsatzes nicht zurecht gewiesen. ›Hätte ich genauso entschieden‹, hatte er gesagt und Sophie damit ein Strahlen ins Gesicht gezaubert.
    »Ihr habt ganz schön Glück«, sagte einer der Polizisten, die mit ihnen in dem Nebenraum zuhörten. »Euch bleibt an den Feiertagen genügend Zeit, um den Mann zum Zusammenbrechen zu bringen. Vor Dienstag wird sich kaum einer mit dem Eklat bei der Totenwache beschäftigen. Bis dahin wird er seinen Mörder schon haben. Was meinen Sie?«
    »Lange hält der nicht mehr durch,« erwiderte Sophie.
    »Solche Typen darf man nicht unterschätzen«, entgegnete der Polizist. »Wenn Sie bis Dienstag kein Geständnis haben, möchte ich nicht in Ihrer Haut stecken. Ist der Kommissar eigens aus München gekommen?«
    »Er weiß, was er tut«, sagte sie.
    Leo war beunruhigt.
    »Komm schon, mach es dir nicht so schwer«, hörte man von drüben die scharfe Stimme des Kommissars. »Was versprichst du dir von deinem Schweigen? Wir haben dich sowieso am Sack. Schau deine linke Hand an, die Schnittwunde. Es ist dein Blut auf dem Fensterbrett im Haus des Professors.«
    Er warf einen flüchtigen Blick durch die Scheibe ins Nebenzimmer. Keiner ahnte, dass das nur ein Bluff war.
    »Also«, sagte er genervt, »nochmal von vorn: Du bist da reingegangen, hast den Professor erwürgt, weil er dich überrascht hat, als du sein Arbeitszimmer durchsucht hast, dann bist du in Panik geraten und hast dich auf der Flucht an der zerbrochenen Fensterscheibe verletzt. So war es doch, nicht wahr?«
    Er machte eine gekünstelte Pause und lehnte sich gelangweilt zurück.
    »War es nicht so?«, schrie er plötzlich. »Nein? Wie war es dann, verdammt nochmal?«
    Maiorinus antwortete nicht.
    Der Kommissar seufzte: »Also gut, dann noch mal von vorn. Ich hab‘ Zeit.«
    Maiorinus kam es vor, als höre er die Stimme nur undeutlich aus der Ferne. Er verstand den Sinn der Worte nicht, verstand nicht, was dieser Mann von ihm wollte. Um sich zu wehren war er zu schwach, er hatte doch nichts getan, war doch selbst genauso ahnungslos. Lange würde er das nicht mehr aushalten. Dabei war er erleichtert, fast euphorisch beglückt über diese Wendung. Außerdem wirkte die Pille noch immer. Er war am Leben, mehr noch, in Sicherheit, hier würde ihm nichts geschehen, egal was dieser unverschämte Polizist ihm auch vorhalten mochte. Solange er auf diesem Stuhl saß, war sein Schicksal im

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