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Die Aufrichtigen (German Edition)

Die Aufrichtigen (German Edition)

Titel: Die Aufrichtigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Bergh
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Moment.
    »Gut, ich lasse gelten, was du sagst«, sagte er mit gespielter Bedächtigkeit, »obwohl ich es als Ungerechtigkeit ansehe. Gerade du musst die Macht dieser falschen Kirche kennen, gerade du musst wissen, wie sinnlos es ist, sie offen zu bekämpfen. Es ist gerecht, die Tyrannei zu fliehen, um sie im Untergrund zu bekämpfen. Deine Arbeit aber, das falsche Gutachten, das du erstellt hast, spielt dem Feind direkt in die Hände. Ich weiß, dass die Propaganda Fide plant, die Fragmente des Ammianus ganz groß herauszubringen. Man will beweisen, dass sich die Bekehrung Kaiser Konstantins so zugetragen hat, wie die fromme Legende berichtet. Das alles dient der Neuevangelisierung des alten Europas, der ganzen Welt vielleicht. Man will den Anspruch auf Weltherrschaft der römischen Kirche untermauern. Ganz wissenschaftlich, versteht sich. Und du hast einen wichtigen Beitrag dazu geleistet.«
    »Ich weiß,« antwortete der Professor, »mein Gutachten ist für die Kirche deshalb um so mehr wert, weil es auch die Fachwelt überzeugen kann. Niemand wird am Testat des großen Kritikers, für den ich nun einmal gelte, zweifeln.«
    »Die Kirche hat gelernt, mit der Sprache und den Symbolen der modernen Welt zu sprechen. Sie spricht diese Sprache weitaus besser, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Niemand hätte für möglich gehalten, dass die ganze moderne Welt in einen umfassenden Konflikt geraten würde um die beste Lebensweise, das beste System, die beste Weltordnung. Dabei gebraucht man das Wort Dialog als bloßes Synonym für das Wort Wettstreit, weil die Sprache der Gewalt nicht mehr zeitgemäß ist. Der Papst ist zum Botschafter der westlichen Welt avanciert. Seine Sprache aber ist nicht die Sprache der Religion oder des Glaubens – es ist die Sprache der Macht. Viele, nicht nur die Donatisten, fürchten, dass der Papst schon bald seinen Preis einfordern könnte – die Anerkennung seines Primats. Die Zeit dafür ist günstig!«
    Der Professor nickte.
    »Die Menschen sind verunsichert, sind des eigenen Suchens müde und haben in den sogenannten neuen Religionen nichts gefunden, was die Mühe eigener Gedanken rechtfertigen würde. Im Gegenteil, all diejenigen, die von sich behaupten, etwas gefunden zu haben, stehen uns als Popanz gegenüber, vor dem es sich in Acht zu nehmen gilt. Das verleitet zum Zusammenrücken, auch wenn man nicht mit allen Glaubenssätzen der Römer konform geht. Das Papsttum ist so populär wie nie, wird inszeniert und stellt jeden Kult um Stars oder Potentaten in den Schatten. Den Islam stilisiert man zur großen Bedrohung, setzt ihn mit dem Terrorismus gleich, so geschickt, dass jeder Versuch der Mullahs, sich von der Gewalt abzugrenzen, wie eine Bestätigung der schlimmsten Ahnungen erscheinen muss. Das Papsttum wird unweigerlich als Sieger aus diesem sogenannten Dialog der Kulturen hervorgehen. Die Menschen trauen den eigenen Werten nicht. Es ist bequemer, es ist sicherer, sich von höherer Stelle legitimieren zu lassen.«
    Während dieser Rede versuchte Pater Donatus mehrfach, den Professor zu unterbrechen. Jetzt schnitt er ihm das Wort ab.
    »Und in so einem Augenblick bedarf es nur noch eines Anlasses, und sei er noch so nichtig und nebensächlich, um den Primat des Papstes formal zu untermauern. Die Fragmente des Ammianus sind dieser Anlass. So wie damals die apokryphen Evangelien von Naq Hammadi der Anlass waren, die Wahrheit der Bibel in Frage zu stellen. Mit den Büchern des Ammianus wird der Spieß einfach umgedreht!«
    In diesem Augenblick ging dem Professor die ganze Tragweite seines Gutachtens auf, kurz und hell wie ein Blitz am Nachthimmel. Der Pater bemerkte dies mit Genugtuung. Dann eröffnete er mit wohlerwogenen Worten, dass die Donatisten nun Willens seien, aus dem Untergrund zu kommen, um den Papst zur Wiederholung seiner Taufe zu zwingen. Natürlich, so fügte er schnell hinzu, werde die christliche Religion, den Wettstreit der Kulturen gewinnen, da schließlich das Christentum von jeher im Besitz der Wahrheit gewesen sei. Es gelte aber, den gierigen Griff des Papstes abzuwehren und ihn auf den Platz zu verweisen, der ihm zustünde, dort bei den anderen Frevlern und Ketzern. Der Papst müsse öffentlich und unwiderruflich auf seinen Thron verzichten.
    »Und um all dies zu erreichen«, schloss der Pater mit roten Kopf, »bauen wir auf deine Mithilfe, Ernst!«
    »Meine Mithilfe?«, fragte der Professor verwundert.
    »Auch wir benötigen einen Anlass, denselben,

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