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Die Aufrichtigen (German Edition)

Die Aufrichtigen (German Edition)

Titel: Die Aufrichtigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Bergh
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gefunden zu haben, die aber schon viele Wochen alt ist.«
    »Du meinst, dass wir einen Schritt hinterher sind?«, fragte der Professor nachdenklich.
    »Einen Schritt«, rief Dr. Albertz, »das ist wohl ein Scherz. Ihr seid Lichtjahre hinterher! Dass ausgerechnet du das nicht siehst. Während du über die verheerende Wirkung des heiligen Augustinus für die Geistesgeschichte Europas schreibst, geht es in Wirklichkeit munter weiter. Der eine Historiker erntet harsche Kritik, weil er belegt, dass von Hitlers Volksstaat alle und vor allem all diejenigen profitiert haben, die man uns gern als arme Verführte oder verschüchterte Unwissende präsentiert. Der andere Historiker darf nicht mehr nach Polen einreisen, weil er darüber schreibt, dass die Polen nach der Befreiung von der Naziherrschaft gar nicht daran dachten, mit der Ermordung der Juden aufzuhören. Der nächste führt Krieg gegen den Islam, weil Gott es ihm aufgetragen hat und die anderen lachen ihn nicht aus und schicken ihn in ärztliche Behandlung, wie man es eigentlich erwarten sollte, nein, sie machen mit und kriechen ihm dabei so tief in den Arsch, dass sie gar nichts anderes mehr als seinen Auswurf sehen können mit ihren verkoteten Augen. Die Kirche aber, die uns über gut und böse zu berichten weiß, die biedert sich diesen Herrschenden an, hält die Steigbügel oder – nur um im Bild zu bleiben – hält das Vaselinetöpfchen, damit die Arschkriecher es nicht allzu schwer haben!«

Gründonnerstag, 02 Uhr 33; der Kampf
     
    Seit dem Tod des Professors fand Pater Donatus keine Ruhe mehr. Er wusste, dass niemand einfach so sterben konnte, ohne dass jemand die genauen Hintergründe erfahren wollte. Man würde so lange herumschnüffeln und Unruhe stiften, bis ein genügend großer Teil dessen ans Licht gekommen war, was man gemeinhin die Wahrheit nennt. Es war bloß eine Frage der Zeit, bis die Polizei bei ihm auftauchen würde. Ein bitteres Lächeln legte sich um den Mund des Paters. Nun hieß es das Meiste, das Eigentliche zu verbergen und nur das Allernötigste preiszugeben. Was wussten die Leute schon von der Wahrheit? Wer war schon stark genug, sie zu ertragen? Wie einsam macht die Wahrheit! Wie entsetzlich einsam.
    Das Gutachten des Professors, die wundersam aufgefundenen Fragmente des Ammianus Marcellinus: welch schäbige Intrige des Vatikans! Weder originell noch gut gemacht – aber äußerst wirkungsvoll! Die Kirche war in diesen Wettbewerb getreten, predigte Frieden, Toleranz und Völkerverständigung. Das klang alles gut, heilig und erstrebenswert. Wer würde es für möglich halten, darin nur eine neue Spielart des Jahrtausende alten Streits um die Wahrheit zu finden? Wer die Wahrheit kennt, kann nicht tolerant sein! Er ist berufen, die Wahrheit in die Welt zu bringen, und sie den Menschen notfalls einzubläuen. So war es immer, so würde es immer sein! Die globalen Konflikte waren heute mehr denn je von religiösen Symbolen geprägt. Das war die große Stunde der Religion, die neue große Chance der Kirche. In der modernen Welt durfte man die Frage nach dem richtigen Leben wieder genauso wie die Frage nach dem richtigen Glauben beantworten. Die Kirche brauchte nichts weiter zu tun, als den Wettstreit der Weltordnungen zu gewinnen. Damit wäre bewiesen, wer tatsächlich im Besitz der Wahrheit ist. Und angesichts fanatischer Gotteskrieger, zwangsverheirateter Frauen und bombenstrotzender Aufwiegler schien es, als brauche die Kirche sich nicht einmal besonders anzustrengen. Die paar missbrauchten Kinder störten das Gesamtbild kaum, wenn man die Sache erst einmal ausgesessen hätte. Mag sein, dass nicht alle den ganzen Humbug glauben würden, als kleineres Übel sähe man die Kirche allemal an. Die antireligiösen Lager stellten schon lange keine Gefahr mehr dar, weil sie die Sehnsucht nach Gott nicht stillen konnten. Den Seelenfänger, der die Hoffnung nicht nährt, den jagt man über kurz oder lang zum Teufel, wo er hingehört! Die kritischen Köpfe, die wirklich Wachen, waren viel zu wenige, um den Lärm der Massen zu übertönen. Für eben diese waren die Fragmente des Ammianus Marcellinus eine wunderbare Falle. Daran kam erst einmal keiner vorbei! Gott lässt sich durch die römische und keine andere Kirche verwalten. Wer wäre in der Lage, Gottes Ratschluss zu widerlegen?
    Pater Donatus sah es als seine Aufgabe an, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Er musste an das Manuskript des Gutachtens kommen, er musste den Schwindel

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