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Die Augen

Die Augen

Titel: Die Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hooper
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Ermittlungsakten?
    Andy hoffte, dass im Zweifelsfall Ersteres der Fall wäre. Das hoffte er wirklich. Denn er war ziemlich sicher, dass die einzigen Menschen, die sich Zugang zu den alten Akten hätten verschaffen können, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, Polizisten waren.
Samstag, 3. November
    Maggie war nicht sonderlich überrascht, John Garrett im Krankenhaus anzutreffen, als sie dort um kurz nach zwei Uhr eintraf, um mit Hollis Templeton zu sprechen. Sie war außerdem nicht sonderlich erbaut davon.
    »Das Gespräch ist vertraulich«, sagte sie ihm.
    »Das weiß ich. Ich dachte nur, hinterher könnten wir vielleicht irgendwo eine Tasse Kaffee auftreiben. Reden.«
    Sie machte sich nicht die Mühe, ihn darauf hinzuweisen, dass sie nach solchen Gesprächen normalerweise nicht gerade gesellig war. »Ich bezweifle, dass ich etwas Neues erfahre«, warnte sie ihn stattdessen vor. »Das erste Gespräch mit einem Opfer ergibt selten brauchbare Informationen.«
    »Das verstehe ich. Trotzdem würde ich gerne mit Ihnen reden. Und – es gibt da jemanden, mit dem ich Sie gerne bekannt machen würde.«
    Das erregte Maggies Neugier immerhin so weit, dass sie nickte und sich einverstanden erklärte, ihn nach dem Gespräch im Wartebereich in der Nähe der Aufzüge zu treffen. Dann ging sie zu Hollis Templetons Zimmer, wappnete sich, so gut sie konnte, und klopfte leise an, ehe sie hineinging.
    »Miss Templeton?«
    »Ja?« Sie saß am Fenster, mit dem Gesicht zum Fenster, obwohl sie einen Verband über den Augen trug. Sie trug Jeans und einen weiten Pullover, war also ähnlich wie Maggie gekleidet – bis hin zu den bequemen Laufschuhen. Ihr braunes Haar trug sie kurz und zu einem lässigen Look frisiert – nichts, was viel Arbeit erforderte.
    Maggie ging durch den kleinen Raum zu dem Stuhl, der offenbar für sie bereitstand. »Ich bin Maggie Barnes.«
    »Schau an.« Sie wandte Maggie das Gesicht zu. Ihre Lippen mit einer verheilenden Schnittverletzung verzogen sich zu einem Lächeln. »Ich kann das ja leider nicht. Haben Sie je darüber nachgedacht, wie oft wir Wörter wie sehen und schauen verwenden, obwohl wir gar nichts Visuelles beschreiben wollen?«
    Maggie glitt auf den Stuhl. »In letzter Zeit habe ich viel darüber nachgedacht«, sagte sie.
    Erneut lächelte Hollis. Ihr Gesicht wirkte bemerkenswert unversehrt bis auf den verheilenden Schnitt – und die verbundenen Augen. »Ja, ich kann mir vorstellen, dass Sie in Ihren Gesprächen mit geblendeten Opfern überall auf Minenfelder stoßen. Ich heiße übrigens Hollis. Ein lächerlicher Name. Mein Vater versuchte, ihn zu Holly abzukürzen, als ich klein war, aber das fand ich noch grässlicher.«
    Maggie hatte schon mit zu vielen Opfern von Gewaltverbrechen gesprochen, um dieses Gespräch auch nur ansatzweise merkwürdig zu finden. Manche Opfer mussten zuerst über Belanglosigkeiten sprechen, teils weil sie einen Aufschub wollten, bis sie die Qualen dessen, was ihnen geschehen war, nochmals durchleben mussten, teils auch, um wenigstens ein Gefühl von Normalität zu erzeugen. Daher konnte sie leicht und ohne jeden Anflug von Ungeduld darauf reagieren.
    »Die meisten glauben, Maggie wäre eine Abkürzung von Margaret. Ist es aber nicht. Ich war immer schon Maggie.«
    »Es ist ein guter Name. Er bedeutet ›Perle‹, wussten Sie das?«
    »Ja.«
    »Hollis bedeutet: ›lebt bei den Stechpalmen‹. Was für ein Name für eine erwachsene Frau!« Sie schüttelte den Kopf und sagte unvermittelt: »Was für ein blödes Thema. So trivial. Entschuldigen Sie, ich möchte nicht Ihre Zeit vergeuden.«
    »Das tun Sie nicht, Hollis. Ich bin froh, dass Sie uns angerufen haben.«
    »Uns.« Sie nickte, als hätte sich ein geheimer Verdacht bestätigt. »Sie halten sich also für eine von den Cops, hm?«
    »Ich schätze schon.«
    »Das ist wahrscheinlich kein großes Vergnügen, sich Horrorgeschichten anzuhören über … die Unmenschlichkeit des Menschen gegen den Menschen.«
    »Nein, dieser Teil ist kein Vergnügen.«
    »Warum tun Sie das?«
    Maggie musterte die andere Frau und bemerkte deren steife Haltung: Die Hände, die immer noch verblassende Kratzer und Prellungen aufwiesen, umklammerten angespannt die Stuhllehnen. Langsam sagte sie: »Ich … habe eine Gabe. Ich höre grundverschiedene Einzelheiten und kann sie zu einem Bild zusammenfügen. Einem Gesicht.«
    Hollis legte den Kopf leicht schräg. »Ja, aber warum tun sie das? Waren Sie selbst Opfer?«
    »Nein.«
    »Jemand, der Ihnen nahe

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