Die Augen
Eltern begehen könnte. Na ja, wir hatten bereits das gesamte Haus durchkämmt, die Spurensicherung war da gewesen, und ich hatte wirklich nicht viel Hoffnung, dass Maggie irgendwas finden könnte, das uns entgangen war. Ich glaube, man nennt das Hybris, was?«
John lächelte schwach. »Sie hat etwas gefunden?«
»Kann man so sagen. Da wusste ich natürlich schon, dass sie so eine Begehung am liebsten allein macht, deshalb blieb ich auf Abstand. Ich stand draußen in der Nähe der Garage und merkte erst, dass sie wieder draußen war, als ich sie in der Nähe der Terrasse entdeckte. Sie ging ganz langsam, scheinbar ohne den Blick auf irgendwas zu richten. Am Ende des Gartens blieb sie ganz lange stehen. Zuerst habe ich nicht gemerkt, dass sie weinte, aber irgendwann dämmerte es mir.
Ich dachte, sie sei nur betroffen wegen des vermissten Mädchens, und ich wollte sie nicht in Verlegenheit bringen, indem ich es ansprach, also bin ich zum Auto zurück und habe gewartet. Ein paar Minuten später kam sie wieder und sah aus wie immer, abgesehen von ganz leicht geröteten Augen. Ich habe sie gefragt, ob sie etwas gefunden hätte, und sie sagte nein. Aber auf halbem Wege zurück zur Polizeiwache fing sie an, von den Befragungen zu sprechen. Sie sagte irgendwas von wegen, einer der älteren Jungs würde sie beunruhigen. Es sei wohlgemerkt nichts, wo man den Finger drauf legen könnte, nur so ein Gefühl. Sie fragte, ob ich ihn vielleicht zu einem weiteren Gespräch einbestellen könnte, ob sie ihm vielleicht ein, zwei Fragen stellen dürfte.
Ich war nicht gerade begeistert von der Vorstellung, dem Polizeichef beichten zu müssen, dass wir null Anhaltspunkte hatten, also sagte ich, klar, warum nicht. Der Junge war nicht verdächtig, und da er achtzehn war, mussten wir ihn nicht in Anwesenheit seiner Eltern befragen, aber wir haben ihm gesagt, er könnte einen Anwalt mitbringen, wenn er wollte. Wollte er nicht. Erst habe ich ihm ein paar Fragen gestellt, dann hat Maggie mit ihm gesprochen. Sie hat nur mit ihm geredet, leise und sanft. Über seine Schule und seine Eltern. Über das Mädchen.«
Als Andy verstummte, sagte John: »Sie hat ihn dazu gebracht zu gestehen.«
Andy nickte. »Es hat fast eine Stunde gedauert, und als er endlich die Wahrheit sagte, hat er sich die Augen aus dem Kopf geheult. Das Mädchen sollte ihn im Wald zu einer ihrer mittlerweile regelmäßigen Verabredungen treffen. Nur hatte sie sich an jenem Abend mit ihren Eltern gestritten und beschlossen wegzulaufen. Zu ihm. Also hatte sie eine Tasche gepackt, ihren Eltern eine Nachricht hinterlassen, und da war sie dann und erwartete von ihm, dass er sich um sie kümmerte.
Er war einfach nicht darauf gefasst gewesen, ein fünfzehnjähriges Mädchen für den Rest seines Lebens am Hals zu haben, und so ist er in Panik geraten. Sie haben sich richtig heftig gestritten, und irgendwann hat er sie dann wohl geschubst. Sie fiel hin und hat sich den Kopf an einem Stein gestoßen. Sie ist nicht mehr aufgestanden. Er hatte eine Schaufel im Wagen. Gärtner hatten den Garten gerade neu gestaltet, und der Boden war gut aufgelockert und von einer dichten Schicht Kiefernmulch bedeckt. Es war grauenhaft leicht, sagte er, sie und ihren kleinen Koffer gleich da im Garten zu begraben.«
Andy seufzte. »Gleich da – nur drei Meter von da, wo ich Maggie hatte stehen und weinen sehen. Sie wusste es. Sie wusste genau, was mit dem Mädchen geschehen war. Da war nichts zu sehen, überhaupt kein Anhaltspunkt. Aber sie wusste es.«
»Sie hat Ihnen nie gesagt, was sie gesehen hat?«
»Nein. Ich dachte, wenn sie will, dass ich es weiß, dann wird sie es mir sagen. Es schien mir etwas zu sein, womit es nicht leicht ist zu leben, also dachte ich mir, sie ist es sicher gewöhnt, sich … andere Erklärungen einfallen zu lassen für das, was sie weiß.« Andy sah dem anderen Mann fest in die Augen. »Mir war das recht. Ich hatte damals schon gelernt, ihr zu vertrauen, und um ehrlich zu sein, es ist mir verdammt egal, ob sie aus Teeblättern liest oder in eine Kristallkugel guckt. In fünf Jahren und Hunderten von harten Fällen habe ich noch nie erlebt, dass sie sich geirrt hätte.«
»Nie?«
»Nie. Oh, es ist vorgekommen, dass sie einer Lösung kein Stück näher war als wir, aber immer wenn Maggie eine ihrer Eingebungen hatte, wusste ich, wir stehen kurz vor dem Durchbruch.«
John schüttelte leicht den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll, außer dass das, was Maggie
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