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Die Augen

Die Augen

Titel: Die Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hooper
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mit dem Rücken zur Staffelei an ihrem Arbeitstisch. Ihre Palette lag vor ihr und war mit Klumpen und Klecksen in Farben bedeckt, an deren Auswahl sie sich nicht erinnern konnte.
    Sie sah auf ihre Hände und fand dort noch mehr Farbe, helle und dunkle Flecken und Streifen auf ihrer Haut, von den Handgelenken zu den Fingerspitzen, und noch mehr auf ihrem Pullover, der völlig ruiniert war. Als sie zögerlich die Farbe auf ihrem Pullover berührte, fühlte sie sich größtenteils beinahe trocken an. Sie benutzte lieber Acryl- als Ölfarben, aber dennoch …
    Ihre Finger waren völlig steif und verkrampft, zwischen ihren Schulterblättern tat es weh – die Sorte Schmerz, der sich im Allgemeinen nach stundenlangem Arbeiten an der Staffelei einstellt.
    Es gab keine Uhr in ihrem Atelier. Umständlich schob Maggie den farbverkrusteten Ärmel ihres Pullovers hoch, sah auf die Uhr und stellte zutiefst beunruhigt fest, dass es nach Mitternacht war.
    Stunden. Sie war schon seit Stunden hier.
    Sie packte den Rand des Arbeitstischs und war sich bewusst, dass ihr Atem nicht mehr regelmäßig ging. Auch war sie sich der Leinwand hinter sich intensiv bewusst. Sie spürte es – das, was auch immer sie da praktisch unbewusst gemalt haben mochte – beinahe so deutlich, als beugte es sich über sie, als griffe es nach ihr …
    Sie hatte entsetzliche Angst, sich zu ihrem Gemälde umzudrehen.
    »Farbe auf Leinwand«, flüsterte sie. »Das ist alles. Nur Farbe auf Leinwand. Wahrscheinlich nicht mal ein erkennbares Bild. Wie kann es auch anders sein, wenn doch meine Augen geschlossen waren, wenn ich doch an nichts Besonderes gedacht habe?« Maggie atmete tief durch. »Es wird nichts da sein, nur Farbe auf Leinwand. Das ist alles.«
    Doch trotz dieser vernünftigen Worte, die sie sich wie ein Mantra laut vorsagte, benötigte Maggie alle Selbstbeherrschung, die sie aufbringen konnte, um sich umzudrehen und sich anzusehen, was sie gemalt hatte.
    »Mein Gott«, flüsterte sie und starrte voller Grauen auf ihre bisher unbestreitbar beste Arbeit.
    Das geradezu abscheulich vollendete Gemälde bestand beinahe ausschließlich aus kräftigen schwarzen und fleischfarbenen Pinselstrichen, doch trotz des sehr beschränkten Einsatzes von Farbe sah das zentrale Bild so lebensecht aus, dass es hätte atmen können.
    Wenn es hätte atmen können.
    Die Frau lag ausgestreckt vor einem undeutlichen, verschwommenen Hintergrund, ihr lockiges dunkles Haar breitete sich fächerförmig um ihren Kopf herum aus und war nur deshalb sichtbar, weil die Strähnen blutgestreift waren. Ihr Kopf lag ein wenig schräg, schien dem Betrachter zugewandt in einem stummen Flehen um Hilfe, die nie kam.
    Zwischen ihren offenen, zerschundenen, aufgedunsenen Lidern lugte noch mehr Dunkelheit hervor, denn ihre Augen waren fort. Aus den leeren Höhlen sickerte Blut die Schläfen hinab.
    Ihr sinnlicher Mund war leicht geöffnet, die zarten Linien der Lippen entstellt von Schwellung und Blutergüssen, und ein weiteres Blutrinnsal lief über Kinn und Kiefer hinab. Auf der anderen Seite des Gesichts verunzierte eine hässliche Prellung den hohen Wangenknochen.
    Sie war nackt, ihr Körper so zierlich, dass er mit seinen kleinen hohen Brüsten und dem sanft gerundeten Bauch beinahe kindlich wirkte. Doch war nichts Kindliches an dem, was ihr angetan worden war. Die Brüste wiesen weitere hässliche blaue Flecke auf, und eine Brustwarze fehlte. Der ausge­franste Wundrand trug unverkennbar Bissspuren. Der gewölbte Bauch war ebenfalls widerlich verstümmelt, vom Brust- bis zum Schambein mit einem einzigen tiefen Schnitt geöffnet, eine feuchte, scharlachrot klaffende Wunde.
    Ihre Beine waren weit gespreizt, die Knie leicht angehoben, blutige Streifen auch auf ihren Oberschenkeln. Zwischen ihnen hatte sich das Blut in einer purpurrot bis kastanienbraunen, gerinnenden Pfütze gesammelt.
    Um einen zarten Knöchel trug sie ein dünnes Goldkettchen, an dem ein winziges goldenes Herz hing.
    Dieses letzte Detail brach Maggies Entsetzensstarre auf. Sie fiel auf die Knie und kämpfte gegen einen Brechreiz an, unfähig, ihre Augen vom Gemälde loszureißen, von dem grauenvollen Bild einer toten Frau, die sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte.
Dienstag, 6. November
    Es war eine Art Insiderwitz in der Abteilung, dass Luke Drummond stolz auf den schicken Konferenzraum in der Polizeiwache war, stolz auf den breiten polierten Tisch, an dem mehr als zwölf Menschen auf bequemen Stühlen sitzen konnten,

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