Die Augen
seinem Gemälde zu, doch gleich darauf sagte er: »Morgen, denke ich. Morgen früh. Oder vielleicht spätabends. Schwer zu sagen.«
»Weißt du, wo?«
Beau schwieg.
»Vielleicht habe ich mich geirrt. Vielleicht ist sie gar nicht tot. Wenn wir sie so schnell wie möglich finden könnten …«
»Das würde nichts ändern«, sagte er sanft. »Sie ist schon tot, Maggie. Du weißt, dass sie schon tot ist.«
Maggie wusste es, doch sie hatte gehofft … Nach einer Weile sagte sie: »Als ich gestern durch ihr Haus ging, da habe ich sie gespürt. Und als er sie gepackt hat … sie hatte solche Angst. Solche Angst. Um sich selbst. Um ihr Baby. Sie wusste, sie würden beide nicht überleben. Von dem Augenblick an, in dem er sie packte, hat sie es gewusst.«
Beau malte einen Augenblick lang, dann fragte er: »Wusste sie, wer er war?«
»So wie ich weiß, wer er ist. Kein Gesicht, kein Name. Nur das Böse. Nur das lebendige Böse, das umherläuft und vorgibt, ein Mensch zu sein. Ich muss ihn aufhalten. Ich muss.«
»Ja.«
»Und es bleibt nicht viel Zeit. Das spüre ich auch. Immer mehr, mit jedem Tag, der vergeht. Wenn ich ihn nicht bald aufhalte, wird es zu spät sein. Es ist meine letzte Chance, Beau.«
»Das weißt du nicht.«
»Du etwa?«
»Nein.«
Sie lachte freudlos. »Wenn du es wüsstest, würdest du es mir sagen?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Wieder der freie Wille.«
»Ja. Der freie Wille.« Beau hörte nun doch auf zu malen, reinigte Pinsel und Palette, nahm sich selbst einen Kaffee und gesellte sich zu ihr. »Du tust, was du kannst, Maggie. Mehr kannst du von dir nicht verlangen.«
»Es ist nicht genug.« – »Es wird reichen. Vertrau dir. Vertrau deinen Fähigkeiten und Instinkten.«
Sie sah ihm fest in die Augen. »Gestern hatte ich … einen ganz üblen Tag. Erst habe ich mit Hollis gesprochen, dann bin ich durch das Haus der Mitchells gegangen. Und dann wurde es schlimmer. Es wurde wirklich noch schlimmer. Ich habe gestern Abend gemalt. Ich habe die Augen geschlossen, meinen Geist geleert, wie du es mir gesagt hattest, und dann habe ich etwas Grauenvolles gemalt. Es war in mir, Beau. Dieses Bild, dunkel und blutig, war in meinem Kopf, Teil meiner Seele. Ich konnte fast … spüren, wie sie gestorben ist.«
Er wirkte nicht überrascht, sondern nickte lediglich. »Ich habe dir gesagt, dass das vermutlich passieren würde.«
»Nicht so. Du hast mir nicht gesagt, dass es so sein würde.«
»Du bist Künstlerin, du denkst – und fühlst – in Bildern. Es ist normal.«
» Normal? Was ist normal daran, die Leiche einer gequälten, verstümmelten Frau zu malen? Einer Frau, der ich nie begegnet bin, die ich nie gesehen habe?«
Seine Stimme war immer noch ruhig. »Du musst versuchen, Abstand zu gewinnen, Maggie, oder es wird dich zerstören.«
Sie atmete tief durch und bemühte sich um einen gleichmütigen Tonfall. »Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich Angst hatte. Das … blendet mich, glaube ich. Ich weiß nicht, was ich als Nächstes tun soll.«
Beau zögerte, dann sagte er: »Es ist nicht alleine dein Kampf, daran musst du denken. Versuch nicht mehr, alles allein zu machen, Maggie. Lass dir helfen. Lass dir von ihm helfen.«
Nach einem kurzen Augenblick nickte Maggie. »Ich versuche.«
Sie schob die Tasse von sich und stand auf.
Beau blickte in seinen Kaffee und sagte beinahe geistesabwesend: »Vielleicht magst du Garrett ja dein Bild zeigen.«
Schon bei der bloßen Vorstellung fühlte Maggie sich noch dünnhäutiger. »Warum? Warum sollte ich ihm das … in mir … zeigen?«
»Nenn es eine Eingebung«, sagte Beau.
»Also, das ist das, was wir bis jetzt haben.« Mit gerunzelter Stirn betrachtete Quentin die Stapel von Papieren und Akten, die den Konferenztisch im Wohnraum übersäten. Dann wandte er seinen Blick wieder Maggie zu. »Nicht gerade über die Maßen viel, aber wahrscheinlich so viel wie die Polizei auch.«
Kendra sagte: »Er meint das nicht so, wie es klingt.«
Quentin zog die Augenbrauen hoch. »Wie klingt es denn?«
»Arrogant«, erklärte sie ihm. »Wir sind erst seit ein paar Tagen hier, behaupten aber, wir hätten genauso viele Informationen wie die Cops, die seit Monaten an dem Fall dran sind. Benutz mal deinen Kopf, Quentin.«
»Du bist viel lustiger, wenn du irgendwas tippst«, meinte er.
»Und du würdest nicht so ein dummes Zeug daherreden, wenn du nicht ein Dutzend Tassen Kaffee intus hättest. Ich sage dir immer wieder, Koffein ist nicht gut für
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