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Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Titel: Die Auserwählte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Bosworth
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wir vorbeifuhren, waren mit aderähnlichen Rissen überzogen, und in den Straßen befanden sich überall Löcher. Sie sahen aus wie klaffende Wunden, die darauf warteten, wieder zugenäht zu werden. Was mir jedoch am deutlichsten auffiel, war die verwaiste Atmosphäre des Viertels. Vor dem Beben hatte es in Koreatown von Menschen gewimmelt. Jetzt hatten viele Geschäfte ihre Leuchtschilder ausgeschaltet und Metallgitter vor ihre Eingangstüren gezogen. Der dunkle See der Wüste breitete sich aus, als wollte er seine gesamte Umgebung verschlingen. Ich fragte mich, ob in ein paar Monaten – falls die Welt nicht unterging, wie Prophet behauptete – die Angst der Menschen nachlassen würde und sie im Lauf der Zeit nach Los Angeles zurückkehren würden, bis die Stadt wieder aus allen Nähten platzte.
    Ich konnte meine Frage nicht länger aufschieben. »Katrina, wohin fahren wir?«
    Katrinas Blick huschte zu mir und dann wieder zurück auf die Straße. Sie hob die Hand, um sich eine Haarsträhne um den Finger zu wickeln, griff jedoch ins Leere. »Ich glaube, du weißt es bereits. Du hast doch gestern Abend vor Onkel Kales Klassenzimmer gestanden und uns reden hören.«
    Mit einem Mal fühlte ich mich völlig nüchtern. »Sag es mir«, beharrte ich.
    »Wir gehen auf den Rove.«
    »Wozu?«, fragte ich, meine Stimme mehr Luft als Klang. Ich fühlte mich, als hätte ich einen Schlag in die Magengrube bekommen, obwohl ich das Ganze hätte kommen sehen sollen.
    »Der Rove zieht eine ganz bestimmte Art von Leuten an«, erklärte Katrina. »Bei dieser Art von Leuten ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie den Funken besitzen. Sie fühlen sich nicht nur vom Rove angezogen, sondern auch von der Wüste. Dieser Ort hat Energie, etwas Magisches wie … na ja, du wirst schon sehen.«
    »Oh, nein, das werde ich nicht«, widersprach ich kopfschüttelnd. »Halt an.«
    »Aber wir sind fast da.«
    »Halt sofort an!«
    Ich war überrascht, als Katrina in aller Ruhe am Straßenrand anhielt.
    So nahe an der Wüste gab es keine Straßenbeleuchtung mehr. Die Fenster der umliegenden Gebäude waren zersplittert und dunkel. Es standen ein paar verlassene Autos herum, aber keines, in dem jemand saß. Ich entdeckte keine Menschenseele.
    »Möchtest du hier aussteigen?«, fragte Katrina. »Nur zu. Diese Gebäude mögen unbewohnt aussehen, aber ich bin sicher, du findest irgendjemanden , der dir dabei hilft, wieder nach Hause zu kommen. Allerdings wird derjenige wahrscheinlich nicht gerade ein Typ sein, mit dem du ungeschützt allein sein möchtest, und ich spreche hier nicht von Kondomen.«
    Warum hatte ich nicht an mein Pfefferspray gedacht? Ich hätte es bei Katrina anwenden und dann ihr Auto beschlagnahmen können.
    »Dreh um«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. Ich spürte Feuer in meiner Brust, und der Whiskey musste irgendetwas in mir gelöst haben, da ich drauf und dran war, die Kontrolle zu verlieren.
    Katrina rückte von mir weg zu ihrer Tür, als würde sie die Hitze spüren, die ich verströmte.
    »Ich muss dir etwas sagen, und das wird dir nicht gefallen.«
    Aus meiner Kehle drang ein humorloses Lachen. »Es gibt noch mehr, was mir nicht gefallen wird?«
    Katrina nickte. »Ich schwöre, ich wusste nichts davon, bis es schon zu spät war, okay? Ich habe es erst erfahren, kurz bevor ich dich abgeholt habe.«
    Sie holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. Ich hätte sie am liebsten gepackt und die Antwort aus ihr herausgeschüttelt.
    »Dein Bruder ist da.«
    Für einen Moment wurde alles in mir still. Mein Herz blieb stehen. »Du lügst«, sagte ich. »Warum sollte Parker auf dem Rove sein?«
    »Er ist mit Quentin hingegangen. Er hat sich rausgeschlichen, genau wie du.«
    Mein Herz fing wieder zu pochen an. Mit langsamen Schlägen, die in meinen Ohren widerhallten wie einzelne Explosionen.
    »Er möchte ein Suchender werden, Mia. Er möchte uns helfen.«
    Meine Hände lagen wie Steine in meinem Schoß. Falls ich noch betrunken war, spürte ich es nicht mehr. Ich erinnerte mich daran, was Jeremy am Tag zuvor zu mir gesagt hatte. Geh nicht in die Wüste, Mia. Halte dich von der Wüste und von den Suchenden fern.
    Ich sah Katrina an und brachte nur ein einziges Wort hervor: »Fahr.«
    22
    K atrina fuhr so nahe an die Wüste heran, wie die zerstörten Straßen es erlaubten. Bei der Puente-Hills-Verwerfung handelte es sich um eine sogenannte »blinde« Verwerfung, was bedeutete, dass sich die tektonischen Platten nicht

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