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Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Titel: Die Auserwählte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Bosworth
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übersäter Nachthimmel. Im Umkreis des Tower herrschte jedoch völlige Finsternis, als wäre das Gebäude von einem riesigen Festungsgraben umgeben.
    Ich fröstelte und wendete mich vom Fenster ab.
    Bring die Sache hinter dich, dachte ich. Finde Katrinas Rekruten. Finde Parker. Verschwinde aus der Wüste.
    Katrina hatte ihren Flachmann in der Hand und setzte ihn an die Lippen, während sie den Blick durch den Raum schweifen ließ. Sie bot mir einen Schluck an, doch ich schüttelte den Kopf. Kein Weißer Blitz mehr für mich. Ich musste einen klaren Kopf bewahren.
    »Wie gehen wir vor?« Ich musste Katrina ins Ohr schreien, damit sie mich hörte. »Das Rekrutieren, meine ich. Hast du ein bestimmtes System?«
    »Lass dir einen Vorwand einfallen, um Leute zu berühren«, antwortete sie. »Wenn sie den Funken besitzen, dann bring sie zu mir, und ich weihe sie ein.«
    Das klang zu einfach. »Du fragst sie, ob sie dir dabei helfen möchten, die Welt zu retten? Einfach so?«
    »Im Prinzip, ja.«
    »Und was ist, wenn sie Nein sagen?«
    Katrina kräuselte die Lippen zu einem Mittelding zwischen einem Lächeln und einem höhnischen Grinsen. »Das kommt nicht so oft vor, wie man denken würde. Die meisten Leute möchten ein Teil von etwas Größerem als ihrem kleinen unbedeutenden Leben sein. Sie möchten glauben, sie hätten eine höhere Bestimmung. Und Rover gehören nicht gerade zu den Leuten, die möchten, dass die Welt zerstört und von Prophet und seinen Jüngern neu erschaffen wird.« Sie sah mich eindringlich an. »Bislang warst du die Ausnahme der Regel. Viel Glück bei der Jagd!«
    Damit hob sie die Arme über den Kopf und tanzte in die Menge. Ein Dutzend andere Armpaare umgaben sie, dann war sie verschwunden.
    »Katrina, warte!«, rief ich ihr hinterher. Doch meine Stimme verlor sich im stampfenden Rhythmus der Musik. Toll. Wie sollte ich sie wiederfinden, wenn ich jemanden mit dem Funken ortete? Und wie sollte ich Parker in diesem Gedränge ausfindig machen?
    Ich musste. Mir blieb nichts anderes übrig. Ich würde nicht von hier weggehen, bevor ich meinen Bruder gefunden hatte.
    Ich bahnte mir den Weg durch Scharen von Tänzern mit leuchtenden Zähnen und Augen und hielt meine Hände seitlich vom Körper wie Plastikwedel in einer Autowaschstraße, damit ich im Vorbeigehen jeden berühren konnte. Ich fragte mich, ob ich den Funken besser würde spüren können, wenn ich meine Handschuhe auszog. Am liebsten hätte ich mich aus sämtlichen Bekleidungsschichten geschält, die mir an der Haut klebten, und mich mit Eiswasser übergossen. Die Rover rückten immer näher, wobei mich ihre heißen Körper anrempelten und sich an mir rieben. Ihre Haut war glitschig, und die Luft feucht von ihrem Schweiß.
    Ich erspähte Jude auf der Tanzfläche. Sie wiegte sich zusammen mit allen anderen im Takt, doch ihre Bewegungen wirkten mechanisch, und ihr Blick war abwesend, in Gedanken weit weg. Es war nicht schwer zu erraten, worüber sie nachdachte.
    »Hey«, sagte ich, als ich mich ihr näherte. »Hast du meine Freundin Katrina gesehen? Sie ist diejenige … diejenige, zu der ich dich geschickt habe, damit du mit ihr über … du weißt schon sprichst.«
    Jude nickte und neigte den Kopf zu mir. »Den Funken … Katrina hat mir davon erzählt.«
    »Wirst du … beitreten?«, fragte ich.
    »Auf jeden Fall.«
    »Tatsächlich? Möchtest du es dir nicht noch einmal überlegen, bevor du irgendwelche wichtigen Entscheidungen triffst?«
    »Das brauche ich nicht zu tun. Als mir Katrina vom Funken erzählt hat und was es damit auf sich hat, wusste ich sofort, dass sie die Wahrheit sagt, dass ich nicht verrückt werde. Es gibt einen Grund, warum mir das passiert ist. Jetzt ergibt das Ganze einen Sinn.«
    »Es ergibt einen Sinn«, wiederholte ich und fragte mich, ob Katrina Jude die Sache besser verkauft hatte.
    »Es ist sogar eine Erleichterung«, sagte Jude. »Da ich jetzt weiß, dass es etwas gibt, wogegen ich kämpfen kann, fühle ich mich nicht mehr so machtlos. Es kam mir vor, als würde die ganze Welt außer Kontrolle geraten, ohne dass ich irgendwas dagegen tun kann. Aber jetzt …« Sie lächelte. »Du verstehst schon.«
    »Sicher«, entgegnete ich leise. Vermutlich hörte sie mich nicht über den stampfenden Rhythmus hinweg. Ich wollte ihr die Wahrheit sagen … dass ich mir bei gar nichts sicher war. Dass ich nichts von alledem verstand. Dass ich mich machtlos fühlte wie eh und je. Stattdessen murmelte ich: »Bis dann«, und

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