Die Auserwählte
Stück von ihrem Ohr weg, damit ich mithören konnte, meine Wange an die ihre geschmiegt.
»… das verdammte Ding ist mir runtergefallen. Ich wollte nur…« Mehr Geklapper. »Das ist…« Die Stimme verlor sich in einem Nuscheln. »Das ist die richtige Nummer, oder? Ja, ja kommt mir be… bekann… bekannt vor… ’tschuldigung… aber ich hab ’n bißchen was getankt… bißchen getankt. Ich hab nur angerufen, um zu sagen, ich habe deine Nachricht erhalten. Und ich soll morgen hinkommen, ist das richtig? Nun, ich werde da sein. Ich meine, na ja, das weißt du ja jetzt. Ich… ich hoffe… das hier wird – « Schweigen, ein gedämpfter Fluch und mehr Geklapper.
Sophi legte ihre Hand über die Sprechmuschel. »Gott«, flüsterte sie, »der klingt besoffen, was?«
»Hmm«, erwiderte ich. Ich hatte die Stimme des Mannes erkannt.
Wir lauschten abermals. Ein Rascheln drang aus dem Hörer, so als würde sich Stoff an etwas reiben. Dann: »… diesmal is’ er mir… unter die verfluchte… Anrichte gerutscht; sehr unschön. Ich… ich denke, ich werde jetzt auflegen… Bist du noch…? Nun, ich meine… oh… ach, egal. Morgen.« Einen Moment lang drang nur schweres Atmen aus dem Hörer. »Morgen. Ich komme, um sie zu holen. Gute Nacht.« Dann ein lautes Klicken und Stille.
Sophi und ich sahen einander an.
»Komisch, was?« sagte sie und lachte ein wenig nervös.
Ich nickte. Sie beugte sich hinaus in die Diele und legte den Hörer auf. »Wohl verwählt, nehme ich an«, erklärte sie.
Ich lehnte mit dem Rücken am Türrahmen, die Arme verschränkt, und kaute an meiner Unterlippe. Sophi legte mir eine Hand auf die Schulter. »Ist mit dir alles in Ordnung?«
»Mir geht es gut«, erwiderte ich. »Aber ich glaube, ich weiß, wer das war.«
»Wirklich?« Sophi lachte. »Oh, hätte ich etwas sagen sollen?«
»Ich weiß nicht«, gestand ich. Und ich wußte es tatsächlich nicht. »Ich glaube, das war mein Onkel Mo«, erklärte ich ihr.
»Was, der aus Bradford, der Schauspieler?«
»Nun, aus Spayedthwaite. Aber, ja. Ja, genau der.«
Sophi schaute nachdenklich drein. »Und wen hat er dann angerufen?«
»Das ist eine gute Frage«, nickte ich. »Was dachte er, mit wem er sprechen würde, und wer ist diese ›sie‹, die er abholen will?«
Sophi lehnte sich gegen die andere Kante des Türrahmens, verschränkte ebenfalls die Arme und zog ein Bein unter ihren Po. Wir sahen einander an.
»Du?« sagte sie leise und zog ihre Augenbrauen hoch.
»Ich«, sagte ich nachdenklich.
Kapitel
Achtzehn
In jener Nacht blieb ich bei Sophi, lag keusch in ihren Armen, während sie ganz ruhig atmete und sich gelegentlich murmelnd im Schlaf regte. Ihr Vater kam gegen ein Uhr nachts zurück; sie erwachte, als sie die Tür hörte, und stand auf, um noch barfuß nach unten zu tappen. Ich hörte ihre gedämpften Stimmen, und dann kam sie zurück; sie kicherte leise, während sie ihren Morgenmantel auszog. »Voll wie tausend Russen«, flüsterte sie, als sie wieder zu mir unter die Decke schlüpfte. »Diese Golfclub-Treffen…« Sie kuschelte sich an mich. »Wenigstens fährt ihn jemand nach Hause…«
Ich streichelte ihr Haar, während sie ihr Kinn in meine Halsbeuge schmiegte. Sie zuckte ein paarmal, entschuldigte sich einmal, dann wurde sie wieder ruhig. Ich glaube, sie war binnen einer Minute eingeschlafen. Ich hörte Mr. Woodbean die Treppe heraufkommen und verspürte dieselbe furchtsame Unruhe, die ich immer empfand, wenn ich bei Sophi übernachtete – die Angst, daß er hereinplatzen und uns beide zusammen ertappen könnte, so unschuldig die Situation auch war. Wie immer stampften seine schweren Schritte an Sophis Tür vorbei und über den Flur zu seinem eigenen Zimmer, und ich atmete wieder freier.
Sophi träumte neben mir, ihre Hand um die meine geklammert; ihr Atem zögerte, dann ging er etwas schneller, dann wurde er wieder ruhiger.
Ich lag da, außerstande einzuschlafen, obwohl ich todmüde war. Ich war in der letzten Nacht erst spät ins Bett gekommen, war auch dann weniger in einen geruhsamen Schlummer gesunken als in ein alkoholisiertes Koma gefallen und hatte dann all die Prüfungen und Unbilden durchstehen müssen, die mir widerfahren waren.
Es kam mir beinahe so vor, als müßte mindestens eine Woche vergangen sein, seit ich in dem Jaguar am Kaufhaus Harrod’s vorbeigeglitten war und auf der dunklen Brücke gestanden bin, die Fledermäuse beobachtet und den Schrei der Eule gehört hatte, während ich
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