Die Auserwählten - Im Labyrinth (German Edition)
»Kannst du mal vernünftig reden, Mann? Was versucht?«
»Durch das Loch zu fliehen, nachdem die Box wieder runtergefahren ist. Geht nicht. Die Tür geht auf, aber da ist nichts drunter. Alles schwarz und leer, da ist gar nichts. Keine Drahtseile, nichts. Geht nicht.«
Wie war das möglich? »Habt ihr –«
»Schon versucht.«
Diesmal stöhnte Thomas wirklich. »Na was?«
»Wir haben Sachen runter ins Loch geschmissen. Man hört sie nie landen. Es geht ewig nach unten.«
Thomas legte eine Pause ein, bevor er antwortete. Er hatte keine Lust, sich schon wieder das Wort abschneiden zu lassen. »Was bist du, ein Gedankenleser oder was?« Das sagte er, so sarkastisch er nur konnte.
»Na, ich bin halt einfach genial.« Chuck zwinkerte ihm zu.
»Zwinker mir nie mehr zu, Chuck«, sagte Thomas, aber mit einem Lächeln. Chuck konnte wirklich nerven, aber er hatte etwas an sich, das alles ein bisschen erträglicher machte. Thomas atmete tief durch und sah zum Gewimmel rund um den Aufzugsschacht. »Und wie lange dauert es noch, bis die Lieferung eintrifft?«
»Meistens eine halbe Stunde nach dem Alarm.«
Thomas dachte nach. Es musste irgendetwas geben, was sie noch nicht ausprobiert hatten. »Bist du dir sicher mit dem Loch? Habt ihr schon mal …« Er wartete darauf, unterbrochen zu werden, was aber nicht passierte. »Habt ihr schon mal versucht ein Seil zu machen?«
»Ja, haben sie. Aus Efeu. Das längste Seil, das sie flechten konnten. Das Experiment ist nicht so gut gelaufen, kann man sagen.«
»Wie meinst du das?« Was jetzt?, dachte Thomas.
»Ich war noch nicht hier, aber ich habe gehört, dass der Typ, der sich dafür gemeldet hatte, erst drei Meter nach unten geklettert war, als etwas durch die Luft gesaust kam und ihn in der Mitte geteilt hat.«
»Was?«, lachte Thomas. »Das ist doch Müll, was du da erzählst.«
»Ach ja, Superhirn? Ich hab die Knochen von dem armen Schwein gesehen. Glatt durchgesäbelt, wie ein Messer durch Schlagsahne. Werden in einer Kiste aufbewahrt, damit in Zukunft keiner mehr auf so eine Klonkidee kommt.«
Thomas wartete darauf, dass Chuck lachen oder grinsen würde, weil es ja ein Witz sein musste – wer hatte je davon gehört, dass jemand in der Mitte durchtrennt wurde? Aber da kam nichts. »Du meinst das ernst?«
Chuck starrte zurück. »Ich lüge nie, Fri-, ich meine, Thomas. Komm, wir gehen rüber und gucken, wer heute ankommt. Ich kann’s nicht glauben, dass du nur einen Tag lang der Neue sein musstest. Was für ein Schwein!«
Beim Gehen fragte Thomas das Einzige, was ihm noch einfiel: »Woher weißt du, dass es nicht nur eine Versorgungslieferung ist?«
»Dann gibt es keinen Alarm«, antwortete Chuck. »Die Lieferung kommt jede Woche zur gleichen Zeit. Hey, guck mal.« Chuck blieb stehen und zeigte auf jemanden in der Menge. Es war Gally, der sie wie versteinert anstarrte.
»Klonk. Der kann dich aber echt nicht leiden, Mann.«
»Das kannst du laut sagen«, brummte Thomas. »Den Eindruck hatte ich auch schon.« Und er empfand das Gleiche für Gally.
Chuck stieß Thomas mit dem Ellbogen in die Seite und sie gingen weiter zum Rand des Menschenauflaufs. Alle warteten schweigend. Auf einmal hatte Thomas sämtliche Fragen vergessen. Bei Gallys Anblick hatte es ihm die Sprache verschlagen.
Chuck allerdings nicht. »Warum gehst du nicht hin und fragst ihn, was er eigentlich von dir will?«, fragte er und versuchte lässig zu klingen.
Thomas glaubte schon mutig genug zu sein, aber momentan schien es der schlechteste Einfall aller Zeiten zu sein. »Er hat viel mehr Leute auf seiner Seite als ich. Mit so einem fang ich lieber keinen Streit an.«
»Ja, aber dafür bist du schlauer. Ich wette, du bist auch schneller. Du kannst es locker mit ihm und seinen Kumpels aufnehmen.«
Einer der Jungen vor ihnen drehte sich mit einem ärgerlichen Gesichtsausdruck nach ihnen um.
Muss einer von Gallys Freunden sein , dachte Thomas. »Bist du jetzt still?«, zischte er Chuck an.
Hinter ihnen fiel eine Tür ins Schloss; es waren Alby und Newt, die vom Gehöft herüberkamen. Beide wirkten ziemlich fertig.
Als Thomas sie sah, musste er wieder an Ben denken – und den schrecklichen Anblick, wie er sich im Bett herumgewälzt hatte. »Mensch, Chuck, du musst mir diese Sache mit der Verwandlung erklären. Was ist denn bloß mit dem Kerl da drin los ?«
Chuck zuckte mit den Schultern. »Was Genaues weiß ich auch nicht. Die Griewer machen irgendwas Scheußliches mit einem und dann
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