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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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Stille senkte sich über das Theater. Alle hielten den Atem an. Die Terroristen zögerten. Aber dann nickte der Terrorist und wies die Frau und ihre Kinder an, wieder Platz zu nehmen. Der junge Mann trat vor. Er schien vollkommen ruhig zu sein. Wirklich, die Ruhe im Blick des jungen Mannes, als er vortrat, um erschossen zu werden, ist die deutlichste Erinnerung, die ich an diese schrecklichen Tage im Theater habe. Barajew ging auf ihn zu. Damals wusste ich nicht, wie er hieß, es gab aber keinen Zweifel, dass er der Anführer war. Er brüllte herum. Wütend. Kritisierte die Verbrechen gegen das tschetschenische Volk. Die Schamlosigkeit der Russen in Grosnij. Seine ganze Familie war von den Russen ausgelöscht worden. Hass sprühte aus seinen Augen, als er die Pistole hob und sie dem jungen Mann an die Stirn drückte. Und dann … dann geschah nichts. Er drückte nicht ab. Der junge Mann sah ihn unverdrossen an, ruhig und abwartend. Aber es geschah nichts. Schließlich setzte sich der junge Mann wieder auf seinen Platz, während die anderen Terroristen ungläubige Blicke wechselten. Was hatte Barajew zögern lassen? Diese Frage kann ich natürlich auch nicht beantworten. Aber von diesem jungen Mann ging irgendetwas aus. Es war seine Ausstrahlung, sein Blick. Ich zweifle nicht eine Sekunde daran, dass ich an diesem Tag im Dubrowka-Theater ein waschechtes Wunder miterlebt habe.‹«
    »Sind das die Frau und die Kinder?« Hannah nahm eine Fotografie in die Hand.
    »Das müssen sie sein.« Niels betrachtete die hübsche Frau mit den beiden Kindern. Der Kleine war inzwischen kein Säugling mehr. »Das muss ein paar Jahre nach dem Anschlag aufgenommen worden sein.«
    »Denken Sie das Gleiche wie ich?« Niels war sich nicht sicher, ob das ein Lächeln war, was Hannah auf den Lippen lag.
    »Ja«, sagte er. »Der junge Mann im Theater war Zjirkov. Er hat die Mutter und ihre Kinder gerettet.«
    »Aber warum ist er dann ins Gefängnis gekommen? Er war doch ein Held?«
    Niels dachte nach, und Hannah stand auf und ging zu der Karte, auf der die Nadeln über die ganze Welt verteilt waren.
    »Vielleicht hat ihn das Erlebnis im Theater zu einem Systemkritiker gemacht?« Niels dachte laut. »Möglich, dass Memorial sich deshalb für ihn interessiert hat.«
    »Sie meinen, dass er wegen irgendwelcher kritischen Äußerungen im Gefängnis saß?«
    »Wäre doch denkbar.«
    »Aber wer hat ihn dann ermordet?«
    Niels griff nach einem anderen Blatt. »Das hier sieht aus wie ein Ausdruck aus einer Internetzeitung. Vielleicht stammt die ja von Memorial.«
    »Offiziell ist noch immer ungeklärt, wer Vladimir Zjirkov ermordet hat, aber für den bekannten Systemkritiker, Schachgenie Garri Kasparov, ist der Fall klar: ›Putin hat Zjirkov umgebracht‹, sagte er neulich. Zjirkovs Mithäftling, Igor Dasajev, der Zjirkovs Leiche gefunden hatte, hat hingegen eine andere Erklärung: ›On the night before the murder of Vladimir Zjirkov I saw a man – the shadow of a man – standing right next to the sleeping Zjirkov. I don’t know how he got into the cell and I don’t know what he was doing. But I’m pretty sure he has something to do with Zjirkov’s death. It was very scary. Like in a horror movie.‹«
    »Ich finde, es hört sich gut an, wenn Sie Englisch lesen.«
    Niels musste lächeln. »Aber wie sollte ein Mann in die Zelle kommen? Das Butyrka-Gefängnis wird rund um die Uhr bewacht. Das klingt ziemlich unglaubwürdig.«
    »Steht da etwas über die Zeichen auf dem Rücken?«
    »Nichts, soweit ich sehen kann.«

30.
    30.
    Innenstadt, Kopenhagen
    Der Pastor war in seinem Büro. Abdul Hadi sah ihn eindeutig, die Fenster des Büros gingen zum frei zugänglichen Garten, in dem er sich etwas entfernt auf eine Bank gesetzt hatte. Unweit der Kirche lag ein Kindergarten, die Kinder und Erzieherinnen waren draußen. Warum hatte sein dicker Vetter nichts davon erwähnt? Nicht, dass das etwas geändert hätte, der Plan stand fest – wenn er sich auch darüber ärgerte, dass er die Kirche nicht in die Luft sprengen konnte. Das hätte ein fantastisches Bild ergeben. Die Frontseite der Kirche, direkt an der Fußgängerzone, weg, zerbombt, in tausend Stücke zerlegt. Fotos der zersplitterten Schaufenster, der zertrümmerten Kirche und des zerfetzten Geistlichen wären in Rekordzeit um die Welt gegangen. Dann hätte auch Kopenhagen einen Eintrag in der neuen Weltkarte bekommen. Eine Weltkarte, auf der mehr und mehr Siege verzeichnet wurden. Sie konnten auf

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