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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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Entscheidung zu treffen, bei der wir nicht wussten, wohin sie uns führen würde.
    Vielleicht schlummerte irgendwo tief in seinem Gedächtnis noch die bruchstückhafte Erinnerung an diesen Teil der Auslese. Vielleicht wollte er uns aber mit diesem Zeitvertreib auch nur die kalten, verschneiten Nächte verkürzen. Was auch immer seine Gründe gewesen sein mögen – jetzt muss ich mir die Lektion, die ich dabei gelernt habe, zunutze machen und vorausschauend handeln. Der Tag ist schon weit fortgeschritten. Wenn wir nicht aufpassen, dann könnten wir länger in diesem Labyrinth herumirren, als es unsere Essens- und Wasservorräte erlauben.
    Ich sage Tomas, dass ich gerne eine Rast einlegen und früh zu Abend essen würde. Er ist verschwitzt und so entmutigt, dass er einverstanden ist. Also setzen wir uns mitten auf die Straße und kramen das Hühnerfleisch hervor. Bei dieser Hitze würde es als Erstes verderben. Während wir essen, bitte ich Tomas, mir seinen Atlas zu geben. Gemeinsam brüten wir über einzelnen Seiten. Den Karten nach zu urteilen befindet sich die Straße, die wir finden wollen, um die Stadt wieder zu verlassen, auf der südwestlichen Seite. Das bedeutet, dass wir solche Wege einschlagen sollten, die uns in die richtige Richtung und am Ende auf die gesuchte Straße führen könnten. Je weiter geradeaus oder nach Süden uns ein Weg führt, desto besser.
    Tja, das sind nun wirklich keine großen Neuigkeiten, aber immerhin mehr Informationen, als wir vor unserer Mahlzeit hatten. Wir steigen wieder auf unsere Fahrräder und radeln los. Die nächste Gabelung. Wir entscheiden uns für die linke Abzweigung. Gebäude, die sich kaum voneinander unterscheiden lassen, säumen die Fahrbahn. Eine Sackgasse. Also wieder zurück und dann geradeaus. Unsere Hemden sind schweißgetränkt, während wir weiter nach den richtigen Straßen suchen. Selbst als wir den Kompass zu Hilfe nehmen, verliere ich bei den Biegungen und Abzweigungen jeglichen Orientierungssinn. Schließlich bricht die Nacht herein, und uns bleibt nichts anderes übrig, als unser Lager aufzuschlagen. Ohne Licht weiterzulaufen würde das Risiko bedeuten, von der Straße abzukommen und eine Explosion auszulösen. Nach einigem Suchen beschließen wir, uns kurz vor dem Ende einer Sackgasse mitten auf der Fahrbahn hinzulegen. Immerhin begrenzen die drei mit Sprengfallen versehenen Seiten die Richtungen, aus denen uns neue Gefahren drohen könnten.
    Wir essen den Rest Hühnchen und heben uns die Pflanzen und die letzte Tüte mit Dörrobst für den nächsten Morgen auf. Uns sollte lieber schnell etwas einfallen, wie wir diesen Irrgarten verlassen können, ehe wir vom Hunger überwältigt werden. Trotz der Hitze des Tages haben wir bislang versucht, unsere Wasservorräte nicht anzutasten, aber jetzt sind unsere Lippen von der brennenden Sonne und der fehlenden Flüssigkeit aufgesprungen. Uns bleibt keine andere Wahl, als die Flaschen aufzumachen, deren Inhalt vielleicht noch immer kontaminiert ist. Der Geschmack ist zwar etwas eigenartig, aber weder Tomas noch ich bemerken ein metallisches oder bitteres Aroma, das den sicheren Tod bedeuten könnte.
    Als ich die Verbände um Tomas’ Verletzung wechsele und eine neue Schicht Salbe auftrage, sehe ich, dass die ehemals brennend rote Wunde jetzt schon besser aussieht – ein echter Lichtblick.
    »Das liegt daran, dass ich die allerbeste Pflege habe«, sagt er und gibt mir einen Kuss. Der Heilungsfortschritt der Wunde und die Wärme von Tomas’ Lippen trösten mich und helfen mir dabei, schnell einzuschlafen.
    Mit Tagesanbruch kehrt auch unsere niedergeschlagene Stimmung zurück. Oft denken wir, wir hätten nun endlich den richtigen Weg gefunden, nur um einige Abbiegungen später festzustellen, dass wir wieder umkehren müssen. Weitaus beängstigender sind allerdings die Stimmen, die sich zunehmend irgendwo in der Ferne vernehmen lassen. Manchmal klingt es auch so, als kämen sie von unmittelbar hinter einem Hindernis oder Gebäude. Es lässt sich unmöglich genau bestimmen. Eines ist jedoch gewiss: Wir sind nicht allein in diesem Labyrinth. Andere suchen in diesem Gewirr von Straßen ebenfalls nach einem Ausweg, der sich jedoch einfach nicht finden lassen will.
    Eine Explosion erschüttert die Gebäude neben uns. Ein Schrei zerreißt die Luft. Dann noch einer. Und schließlich: Stille. Wir radeln schneller. Nur weg von der Detonation, immer weiter die Straße hinunter. Eine Sackgasse. Wieder zurück. Nächster

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