Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
Vom Netzwerk:
Ungefähr vier Meilen später erreichen wir eine Kreuzung. Dieses Mal werden wir nicht von Schutt- und Metallbergen aufgehalten. Stattdessen eröffnen sich uns drei mögliche Wege: Einer führt uns weiter geradeaus, die beiden anderen zweigen rechts und links ab.
    »Was meinst du?« Tomas bleibt im Sattel sitzen, stellt aber die Füße auf den Asphalt.
    »Ich denke, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, mit dem Steinewerfen anzufangen.«
    Tomas lacht erst, steigt dann jedoch von seinem Rad, nimmt einen größeren Brocken und wirft ihn auf die mittlere Straße. Dort schlägt er auf und hüpft noch drei Meter weiter über das Pflaster. Das Gleiche macht Tomas bei den anderen beiden Straßen. Die Steine landen und rutschen weiter, ohne dass etwas passiert.
    »Und was nun?«
    Ich weiß es auch nicht. Wir schauen nacheinander alle drei Straßen hinunter und versuchen, uns vorzustellen, was uns in der jeweiligen Richtung erwarten könnte. Der linke Abzweig und die Straße, die geradeaus führt, sind von Gebäuden gesäumt, die von der Bauweise her denen ähneln, die wir schon passiert haben. Rechts von uns, ein ganzes Stück die Straße hinunter, befindet sich ein Bauwerk, das unsere Aufmerksamkeit erregt. Der graue Block ist lang gestreckt. Die Mitte des Gebäudes ist mehrere Etagen höher als der Rest und wird von einer großen Kuppel überdacht. Da wir nicht wissen, wie wir uns sonst entscheiden sollen, lassen wir uns von unserer Neugier leiten und biegen nach rechts ein, um es uns näher anzusehen.
    Kurz darauf endet die Straße.
    Das Kuppelgebäude muss früher mal grandios ausgesehen haben, bröckelt nun jedoch an allen Ecken und Enden. Zusammen mit den eingestürzten Häusern rechts und links davon blockiert es unseren Weg. Gehört es vielleicht zum Test herauszufinden, wie man an diesen Hindernissen vorbeikommt? Während ich noch darüber nachdenke, welche Konsequenzen das für uns hätte, hebt Tomas einen Stein auf und schleudert ihn auf die Stufen einer zerfallenen Treppe.
    Nichts passiert.
    Wir beide lächeln uns an, doch bevor Tomas losläuft, bitte ich ihn: »Versuch’s noch mal, nur um ganz sicherzugehen.«
    Tomas hebt einen weiteren Stein auf und wirft ihn in den Schutthaufen zu unserer Linken. Einen Moment lang ist alles still, dann erfüllt ein schwaches tickendes Geräusch die Luft. Kurz darauf gibt es eine Explosion an der Stelle, an der der Stein gelandet war. Wir können uns also keinen Weg um die Ruine herum oder quer darüber suchen. Die Straße zu verlassen ist sozusagen wie eine falsche Antwort. Eine Entscheidung, die bestraft wird.
    Wortlos kehren wir zur Abzweigung zurück und versuchen unser Glück mit der Straße, die geradeaus weiterführt. Wieder eine Sackgasse. Wir machen uns gar nicht erst die Mühe, hier noch nach Sprengfallen zu suchen. Wir wissen, dass welche da sind.
    Die linke Straße führt uns an verschiedenen Gebäuden vorbei, die früher mal Geschäfte beherbergt haben. Ein verblasstes, aber teilweise noch lesbares Schild macht Werbung für Eisenwaren. Es reizt mich, anzuhalten und mich umzusehen, ob es in dem Laden noch irgendetwas Brauchbares gibt, aber ich entscheide mich dagegen. Die Straße, die mir zuerst solche Angst gemacht hat, gibt mir nun eine gewisse Sicherheit. Sie führt im Zickzack um die eingestürzten grauen Gebäude herum und endet schließlich an einer weiteren Gabelung. Und auch diesmal bleiben uns drei Möglichkeiten. Wir entscheiden uns für den Mittelweg und kommen, wie schon zuvor, wieder an baufälligen Häusern vorbei, bis wir feststellen, dass wir erneut in eine Sackgasse geraten sind. Vor uns liegen Trümmer, die von einer erst kürzlich erfolgten Explosion stammen könnten. Also kehren wir wieder um.
    Und mit einem Mal begreife ich, woran mich diese Stadt erinnert.
    An einen Irrgarten. Wir stecken in einem Irrgarten fest.
    Als ich noch kleiner war, hat mein Vater häufig für mich und meine Brüder komplizierte Labyrinthe aufgemalt und uns einen Weg hindurch suchen lassen. Es war immer ein Wettkampf zwischen uns Geschwistern. Wir alle hatten eine Zeichnung des gleichen Irrgartens, und Dad wartete, bis wir alle startklar waren, erst dann ließ er uns anfangen. Sobald die Spitze unseres Bleistiftes das Papier berührt hatte, durften wir sie nicht wieder hochheben. Wenn wir in eine Sackgasse eingebogen waren, waren wir aus dem Rennen. Auf diese Weise wollte Dad uns beibringen, die Dinge im Vorfeld zu durchdenken und sorgfältig zu planen, anstatt eine schnelle

Weitere Kostenlose Bücher