Die Außenseiter
Privatsphäre gedrängt, und Cheelo hatte ihm großzügigerweise erlaubt, ihn zu begleiten. Das bedeutete in keiner Weise, dass er auch nur die geringste Verantwortung für ihn trug. Abgesehen davon, musste er eine Verabredung einhalten.
Falls später ein Suchtrupp - ganz gleich, ob aus Menschen oder Thranx bestehend - zufällig über die ausgewürgten unverdaulichen Überreste des Dichters stolperte, würde das niemand Cheelo Montoya anlasten können. Wahrscheinlich würden die Angehörigen des Rieseninsekts sogar zu dem Schluss gelangen, dass ihr ungehorsamer Freund seine gerechte Strafe dafür bekommen hatte, ganz allein durch den Dschungel gelaufen zu sein.
Sein Tod bedeutete Cheelo nichts, jedenfalls nicht mehr als der Tod eines Vogels oder Affen. Im Übrigen konnte er schließlich auch nicht davon ausgehen, dass der Außerirdische ihm helfen würde, wenn er an seiner statt im Würgegriff der Schlange wäre.
»Ach, Scheiße«, murmelte er und zog die Pistole aus dem Holster.
Vorsichtig rückte er näher an die Kämpfenden heran; die Bewegungen des Thranx wurden immer kraftloser. Cheelo versuchte, auf den flachen, schaufelförmigen Kopf der Schlange zu zielen. Anfangs war das unmöglich, doch je langsamer die Bewegungen des Thranx wurden, desto leichter konnte Cheelo das Tier ins Visier nehmen. Als die Schlange spürte, dass ihre Beute im Sterben begriffen war, entspannte sie sich ein wenig. Obwohl Cheelo nicht sicher war, ob er die Schlange oder den Thranx treffen würde, drückte er den Finger fester gegen den Abzug. Es wäre schlecht, wenn er erst abwartete, bis die Schlange sich gar nicht mehr rührte, denn dann wäre der Thranx tot.
Als die volle Ladung die Schlange traf, zuckte ihr Kopf heftig zurück. Den winzigen Anakondaaugen war nur schwer anzusehen, ob der Schuss irgendeine Wirkung zeigte. Cheelo näherte sich ihr noch ein Stück, sich der Gefahr bewusst, dass er nun in ihrer Reichweite war. Er führte die Pistole so nah wie möglich an den Schädel der Schlange und feuerte ein zweites Mal. Wieder zuckte die Anakonda, doch dieses Mal nur, weil die Energieladung ihre toten Nerven stimulierte.
Cheelo steckte die Waffe wieder ins Holster und machte sich daran, die mehreren hundert Pfund fester, schlaffer Schlange vom Körper des Thranx zu rollen und ziehen. »Wie geht's dir?«, fragte er schließlich den Außerirdischen. »Sprich mit mir, Krabbelvieh! Ich will wissen, ob ich hier meine Zeit verschwende!«
»Du verschwendest sie nicht.« Es kostete den verletzten Thranx Mühe, seine Antwort in der Menschensprache zu artikulieren, und er sprach mit stärkerem Akzent als sonst. »Ich lebe noch, aber ich fürchte, eins meiner Beine ist gebrochen.«
»Ja, ich hab's knacken hören.« Grunzend stemmte Cheelo eine Windung der Schlange beiseite. »Hast du Schmerzen?«
»Natürlich habe ich Schmerzen!« Aus den erdrückenden Muskeln befreit, drehte Desvendapur erschüttert den Kopf dem Menschen zu, der ihn gerettet hatte. »Glaubst du etwa, ich bin aus Metall?«
»Nein, ich glaube, dass du aus Krabbenpanzer und Kä- ferinnereien bist! Tut mir Leid, dass ich gefragt hab.«
Offenbar hatte der Mensch die Bemerkung des Thranx falsch verstanden, mit der dieser nur auf eine schlichte Tatsache hatte hinweisen wollen; um jeglichem Missverständnis vorzubeugen, erklärte der dankbare Desvendapur rasch: »Ich wollte dich nicht beleidigen. Es ist nur so, dass ich es für überflüssig halte, jemanden, der ein gebrochenes Bein hat, zu fragen, ob er Schmerzen habe.«
»Ich hab doch keine Ahnung, wie dein Körper von innen aufgebaut ist oder wie dein Nervensystem funktioniert!« Mit den kräftigen Händen schob der Mensch die letzte Windung purer Schlangenmuskeln vom oberen Abdomensegment des Thranx.
»Dann will ich es dir erklären: Wir empfinden Schmerzen genau wie ihr.«
»Aber nicht an den gleichen Stellen und in gleichem Maße.« Cheelo kniete sich hin und untersuchte das Segment des Vorderbeins, in das sich die tote Anakonda nach wie vor verbissen hatte. »Wenn das nämlich der Fall wäre, würdest du jetzt vor Schmerzen brüllen.« Er sah dem Thranx in die Facettenaugen, packte die Schlange beim Nacken und drehte ihren Kopf ein wenig. »Tut das weh?«
»Nur ein bisschen. Durch unseren Chiton verlaufen nur wenige Nerven. Unser Tastsinn ist nicht so empfindlich wie eurer.«
»Ich weiß nicht genau, ob das gut oder schlecht ist. In diesem Fall hier, ist es sicher gut. Nicht weglaufen!«
Mit einer Echt- und
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