Die Außenseiter
Nahrungszusätzen zuführen, und von ebendiesen Zusätzen häufte Desvendapur sich für sein anstehendes Abenteuer einen Vorrat an. Als Nahrungszubereiter war er mit den einheimischen Gewächsen, aus denen ein Großteil der Kolonieverpflegung bestand, so vertraut wie die Chefbotaniker und Biochemiker. Wenn er erst die Kolonie verlassen hätte, würde er genau wissen, wie die Pflanzen, die er brauchte, in unbehandeltem Zustand aussahen und wie er sie am besten zubereitete.
Natürlich vorausgesetzt, dass er es überhaupt bis nach draußen schaffte.
Er verbrachte den Großteil seiner Freizeit damit, darüber nachzudenken, durch welchen Ausgang er die Kolonie verlassen wollte. Es gab nur einen Hauptausgang, der zur Oberfläche führte: das Shuttledock, in dem er bei seiner Ankunft gelandet war. Immer, wenn die Anlagenbauer der Menschen den Thranx-Kolonisten aus dem einen oder anderen Grund einen Besuch abstatteten, kamen sie durch das Dock in die Kolonie.
Außer diesem Eingang gab es noch eine Reihe von raffiniert getarnten Notausgängen, die nur im absoluten Notfall benutzt werden sollten. Die Bauart dieser Ausgänge kannte Desvendapur gut. Jeder Stock hatte solche »Schnellschächte« mit automatischen Lifts, die alle eine unabhängige Energieversorgung hatten und zur Oberfläche führten. Einen davon auf herkömmliche Weise zu benutzen kam nicht infrage, denn bei der Aktivierung des Lifts würden mit Sicherheit mehrere Alarme ausgelöst.
Wenigstens würde Des sich nicht wegen Wächtern, ob bewaffnet oder nicht, den Kopf zermartern müssen. Der Wald über der Kolonie war unberührt und unbewacht, abgesehen von den ferngesteuerten Überwachungsanlagen, die Menschen und Thranx gemeinsam entwickelt hatten, um ungebetene Eindringlinge beobachten zu können. Doch seit der Gründung der Kolonie war kein Eindringling aufgetaucht. Dieser Teil des Planeten war nicht nur unberührt, sondern wurde auch von den Menschen selbst vor unbefugten Eindringlingen geschützt. Die kolonieeigenen Überwachungssysteme waren zusätzlich installiert worden, eine vermutlich überflüssige Vorsichtsmaßnahme. Nichtsdestoweniger existierten sie, und Des würde sich mit ihnen befassen müssen.
Aber niemand bewachte die Ausgänge. Es bestand kein Anlass, kein Grund dafür, Wächter zu postieren. Obwohl kühn und verwegen, und das waren die Kolonisten allesamt, käme dennoch kein einziger Thranx, der bei Sinnen war, auf den Gedanken, ganz allein einen ungenehmigten Ausflug zur Oberfläche zu unternehmen, wo er tausenden von fremdartigen, unbekannten Lebensformen hilflos ausgeliefert sein würde. Überdies konnte es draußen unangenehm kalt werden, besonders nachts. Eine zusätzliche Gefahr stellte die feindselige, völlig fremde Fauna dar, in die sich kein Kolonist hinauswagte.
Mit Ausnahme von Desvendapur. Feindseligkeit war Dünger für Tragik, und Tragik war der Grundstein für viele erlauchte Epen. Mit dem Klima würde Des schon zurechtkommen. Von allen Orten auf der Erde, die für die Gründung der Kolonie infrage kamen, hatte man schließlich die Klimazone gewählt, die für Thranx am erträglichsten war. Wenn Des es nicht auf der Oberfläche über der Kolonie aushalten konnte, dann würde er es höchstwahrscheinlich nirgendwo sonst auf dieser Welt aushalten können.
Desvendapur musste für sein Vorhaben die kolonieinternen Personaldirektiven manipulieren, was er mit äußerster Sorgfalt tat: Jeder, der sie zufällig durchläse, würde glauben, dass Des vorübergehend in die andere Küche verlegt worden sei. Und jeder, der zufällig seine Personalakte überprüfte, würde glauben, dass er noch immer hart in seiner angestammten Küche arbeitete. Da er auf diese Weise vorübergehend Unklarheit darüber schuf, wo er arbeitete, würde ihn wohl niemand vermissen - in keiner der beiden Küchen. Er könnte frei an der Oberfläche umherstreifen, begierig lernen, entdecken und erforschen. Wenn er damit fertig wäre, würde er zu seiner alten Küche zurückkehren, wo man ihn mit großer Wahrscheinlichkeit noch gar nicht vermisst haben würde. Dann nähme er seine Arbeit wieder auf und würde den Großteil seiner Freizeit darauf verwenden, seine groben Notizen in ein kohärentes Werk zu verwandeln.
Sobald er mit diesem dann auch wirklich zufrieden wäre, würde er es den entsprechenden Quellen auf Willow- Wane zukommen lassen, die es kritisieren und veröffentlichen würden. Dieses Werk würde den Grundstein für eine ruhmreiche Laufbahn legen;
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