Die außergewoehnlichen Geheimnisse von April, May & June
AuÃerdem war es oben viel ruhiger und kühler. Ich trank ein paar Schlucke von meinem warmen Bier und seufzte, als mein Körper wieder zurückkehrte.
Ah, schon besser.
Ich schlenderte ein bisschen umher, wusch mir im Bad die Hände und spazierte dann durch den Flur in ein leeres Zimmer. Drinnen war es dunkel, und ich hatte schon die Hand nach dem Lichtschalter ausgestreckt, als mir plötzlich aufging, dass da jemand war. Genau genommen sogar zwei.
Zwei. In einem Zimmer. Im Dunkeln. Dreimal dürft ihr raten.
Um ein Haar hätte ich angefangen, Entschuldigungen zu stammeln, aber zum Glück fiel mir rechtzeitig auf, dass ich vor lauter Schreck schon wieder unsichtbar geworden war. Ich hörte eine männliche Stimme â schmeichelnd und einschüchternd zugleich, so Wolf-im-Schafspelz-mäÃig. »Jetzt komm schon«, sagte die Stimme. »Stell dich nicht so an, geht schon alles klar. Sie ist doch unten.«
Es war Blake.
Ich stand in der Tür und rechnete damit, dass mir die Augen gleich aus den Höhlen fielen.
»Nein, warte doch mal, ich kann das nicht«, sagte das Mädchen. Das Mädchen war definitiv nicht Mariah. Wer auch immer es war, sie klang jedenfalls schon reichlich dicht, und ich hatte keine Ahnung, was hier gerade abging, aber irgendwas sagte mir, dass es nichts Gutes war. Gar nichts Gutes.
Also lieà ich meine Faust auf den Lichtschalter niedersausen und verschwand wieder, sowohl buchstäblich als auch bildlich. Obwohl ich ja wusste, dass mich auf keinen Fall jemand sehen konnte, versteckte ich mich im Flur und lauschte auf die verwirrten Stimmen, die aus dem Zimmer drangen. »Verdammter Mist, was war das denn?«, schimpfte Blake, und ein paar Sekunden später kam Avery aus dem Zimmer. Im Gehen streifte sie sich das T-Shirt wieder über die Schulter, ihre schwarzen Haare waren ganz zerwühlt, und sie hatte sehr groÃe, betrunkene Augen. Nach ihr kam Blake aus dem Zimmer gestürmt, rannte ihr hinterher und polterte die Treppe hinunter, offenbar verstimmt darüber, dass jemand sein Spielchen ans Licht gebracht hatte.
Mistkerl.
Immer noch mit meinem Plastikbecher bewaffnet ging ich in ein anderes Zimmer. Darin gefiel es mir schon wesentlich besser. Es war tatsächlich niemand drin, und so lieà ich das Licht einfach aus. June konnte ich durchs Fenster sehen â sie saà mit Mariah und noch einem anderen Mädchen drauÃen auf der Wiese. Sie unterhielten sich gerade ganz aufgeregt über irgendwas. Oder besser gesagt über irgendwen. June guckte glücklich, doch das war nicht das glückliche Gesicht, das sie immer macht, wenn sie Kätzchen oder neue Schuhe sieht. Das hier war das glückliche Gesicht, das sie aufgesetzt hatte, als unser Dad sagte, dass er nach Houston ziehen wird und sie aufgeregt »Oh mein Gott, kriegen wir da Pferde?« rief, mit einem Lächeln, das breit genug für uns alle war.
Es war schon sehr seltsam, wie ihr glückliches Gesicht mich einfach nur traurig machte.
Aber noch ehe mir meine Schwester so richtig leid tun konnte, ging plötzlich das Licht an, und ich fuhr entsetzt herum.
Es war Henry.
»Was zur Hölle �«, riefen wir beide gleichzeitig.
»Was machst denn du hier?«, fragte er ungehalten.
»Ich?«, rief ich. »Und was willst du hier? Ist ja nicht gerade das passende Ambiente für dich«
»Das seh ich aber anders«, gab er zurück. »Ist schlieÃlich mein Zimmer.«
Ach nee, ne?
Ich sah mich um und entdeckte massenhaft Stanford-Fähnchen an der Wand und eine dunkelrote Decke auf dem Bett, auÃerdem einen ordentlich aufgeräumten Schreibtisch mit Stiften in einem Stanford-Stiftehalter neben der Lampe und sauber übereinandergestapelten Lehrbüchern.
»Warte kurz«, sagte ich. »Du wohnst hier?«
Er nickte knapp.
»Ich raff es nicht ⦠dann ist Mariah also deine Schwester?« Ich hielt mir die Hand vor den Mund. »Wie kann das denn sein? Seid ihr überhaupt biologisch verwandt oder mehr so stiefgeschwister-mäÃig?«
Henry stieà einen Riesenseufzer aus und kam ins Zimmer. »WeiÃt du, ich glaube, ich hab ein paar Fragen mehr gut als du«, sagte er. »Zum Beispiel die hier: Was machst du in meinem Zimmer?«
»Ach so. Also das, na ja, äh, das ist ziemlich witzig.« Ich ging lieber erst mal vom Fenster weg, damit June mich nicht auch noch sah, stolperte dabei über einen
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