Die Aussortierten (German Edition)
verschwand und Hanau einen Moment in Richtung der gegenüberliegenden Bar schaute, wunderte er sich, wieso die Kellnerin hinter der Bar so seltsam erstarrt wirkte und mit leicht offenem Mund in Richtung des Eingangs schaute. Unwillkürlich schaute er auch in Richtung des Eingangs und erstarrte ebenfalls im selben Moment. Im Eingangsbereich standen zwei maskierte Männer. Jeans, blauer Kapuzenpulli, Kapuze hochgezogen, weiße Maske, weiße Handschuhe. Die Aussortierten! Oder eine gefährliche Gang! Oder beides in einem. Das stand ja nach seinem Kenntnisstand noch nicht fest. Es war nicht zu fassen! Warum musste ihn wieder das Pech erwischen? Und ausgerechnet heute saß er hier mit seiner Dienstpistole im Halfter. Er sah vor seinem geistigen Auge, wie er später vernommen würde und man ihn fragen würde, warum er, der doch zufällig auch noch bewaffnet hier saß, nichts unternommen habe. „Hanau hat sich in die Hose gemacht anstatt mal eben diese Amateurgruppe hops zu nehmen!“ Er hörte schon das höhnische Lachen seines Erzfeindes Kowalski. Endlich hätte dieser mal einen Trumpf in der Hand und würde ihn vollkommen skrupellos gegen ihn ausspielen! Diese verdammten Arschlöcher hatten nicht nur sein Rendezvous versaut, sie würden ihn auch in seiner Dienststelle unmöglich machen, wenn er nichts unternahm! Ein MEK-Beamter, der optimal ausgebildet ist für einen Zugriff in solchen schwierigen Situationen und sich seelenruhig ausrauben lässt, obwohl er bewaffnet war – das würde ihn unmö....Oh, Gott, dachte Hanau. Das habe ich ja ganz vergessen! Meine Waffe! Wenn die sich jetzt die Gäste einzeln vornehmen, dann werden die meine Waffe entdecken und mir mit Sicherheit abnehmen. Das setzt dem Ganzen die Krone auf. Nein, es geht nicht anders. Ich muss was tun!
Alle diese Gedanken schossen in blitzartiger Geschwindigkeit eher in Bildern als in Worten durch seinen Kopf. Kaum hatte er gedacht „Ich muss was tun!“ , hörte er auch schon den einen der beiden Täter: „Das ist eine politische Spendenaktion zugunsten Arbeitsloser. Wir werden Sie jetzt alle freundlich um eine Spende bitten. Bitte kommen Sie nicht auf die Idee, eine Spende zu verweigern. Dann müssten wir Sanktionen verhängen. Und Sie kommen alle hierher!“ Er bedeutete dem Personal, in die Mitte des Saals zu kommen. Hanau sah, dass nur einer der Täter bewaffnet war. Der andere Überprüfte zunächst die Küche, ob dort noch jemand war (was nicht der Fall war) und ging dann mit einer Jutetasche in die hintersten Winkel des Lokals und fing an, den Gästen ihr Bargeld abzunehmen. Der andere sicherte die Aktion mit seiner Pistole ab. Hanau analysierte die Situation. Er selbst saß exakt in der falschen Position. Er würde den bewaffneten Täter nicht mit einer plötzlichen Aktion überwältigen können. Könnte der andere bewaffnet sein? Nein, sah nicht so aus. Keine Beulen im Pulli, und der Jutesack war leer gewesen, bevor er anfing, den Gästen das Geld abzunehmen. Draußen musste auf jeden Fall noch ein weiterer Täter im Auto warten. Der könnte eventuell bewaffnet sein. Gab es noch einen vierten Mann? Verflucht noch mal, er konnte sich nicht erinnern, was in den Berichten, die er gelesen hatte, stand. Waren es nun drei oder vier Täter gewesen? Ist letztlich egal, heute sind es offensichtlich maximal drei Täter. Also muss ich den Bewaffneten hier drinnen mit der Pistole in Schach halten und zur Entwaffnung zwingen. Er schaute Janine an, die völlig geschockt war und ihn ängstlich anstarrte. Er bedeutete ihr mit einer kleinen Handbewegung, ruhig zu bleiben. Hanau verschränkte die Arme vor seinem Körper, wie es Menschen unwillkürlich tun, die sich in einer Gesprächssituation angegriffen fühlen und unbewusst eine Schutzbarriere aufbauen. Aber bei ihm war es nicht unwillkürlich, sondern bewusst, weil er so unbemerkt seine Waffe entsichern und bereit machen konnte. Da, jetzt war der Moment günstig! Der bewaffnete Täter wandte ihm seine Schulter zu, seine Waffe zeigte in eine andere Richtung. Blitzschnell zog Hanau seine Waffe und brüllte „Polizei! Waffe runter auf den Boden! Sofort!“ Hanau hoffte, dass der Mann sich nicht mit seiner Waffe im Anschlag drehen würde, denn dann müsste er sofort schießen. Dann fiel ihm ein, dass nicht ganz sicher war, ob die Täter echte Pistolen verwendeten. Ein Kollege aus dem 1. Fachkommissariat der hiesigen Polizeiinspektion hatte ihm erzählt, dass die Ermittler sich aufgrund von Zeugenaussagen
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