Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
sagte Tony.
»Die Kisten werden aber erst später entladen«, meinte Fred.
»Ich weiß. Aber ihr seid schon da! Nun kommt.«
»Was hast du gekocht? Bitte, bitte frisches Fleisch und nichts Gepökeltes.«
»Ist Milch im Haus? Und Eier?«
»Ja, ja!« Wieder lachte Emilia glücklich und zog die Kinder mit sich.
Verblüfft sahen sie sich um. Sydney wuchs und wuchs. Schon längst war die Stadt größer als Hamburg. Vor zwanzig Jahren, als Emilia hier ankam, hatte sie sich ausgemalt, dass Sydney eine weitläufige Stadt mit viel Platz zwischen den Häusern sein würde, mit breiten Straßen und großen Gärten. Aber schon am Tag ihrer Ankunft wurde sie eines Besseren belehrt, es war eng, laut und dreckig. Natürlich gab es auch Viertel, die großzügig angelegt waren, dort wohnten die reichen Leutein großen Häusern mit parkähnlichen Gärten an breiten Straßen. Doch die Arbeiter lebten in hohen Mietshäusern in spartanischen Verhältnissen.
Emilia nahm, zum Erstaunen der Kinder, den Weg durch die Innenstadt.
»Warum gehen wir nicht durch Millers Point zur Pyrmont Bridge, das ist doch viel kürzer?«, meine Fred.
»Da sollte man sich nicht mehr aufhalten«, sagte Emilia knapp. »Es ist zu gefährlich. Einige Banden kontrollieren das Viertel, schlimme Dinge passieren dort.«
Die neugepflasterten Straßen verblüfften die Kinder ebenso wie der trockengelegte Sumpf. Staunend blieben sie stehen, als die mit Dampf betriebene Straßenbahn an ihnen vorbeiratterte.
»Wo sind die Pferdebahnen hin?«, fragte Tony.
»Dampf ist effektiver. Viele Fabriken arbeiten inzwischen mit Dampfmaschinen«, seufzte Emilia.
»Das ist in Europa nicht anders«, sagte Fred und erzählte wieder aufgeregt von den Dingen, die er gesehen hatte.
Herzlich wurden die beiden von ihren Geschwistern begrüßt, nur die kleine Lina saß verschüchtert in der Ecke. Sie war gerade zwei gewesen, als ihr Bruder und ihre Schwester zu der großen Fahrt aufbrachen, und konnte sich nicht mehr an sie erinnern. Auch ihren Vater begrüßte sie verhalten, als er endlich gegen Abend nach Hause kam.
Lange saß die Familie beisammen, viel wurde erzählt. Emilia trug köstlichste Gerichte auf, labte sich aber selbst mehr an den Gesichtern ihrer Lieben als am Essen. Fred langte ordentlich zu und auch Tony lobte das Essen immer wieder.
»Den Smutje musst du feuern, Papa«, sagte sie. Piet hatte vor einigen Jahren abgeheuert und in Singapur eine Garküche eröffnet.
»Schon geschehen«, sagte Carl lachend. Immer wieder schaute er zu Emilia. Noch hatten sie keine Minute allein gehabt.
»Wie geht es weiter?«, fragte Emilia spät nachts, nachdem sie sich innig geliebt hatten.
»Die ›Lessing‹ ist verkauft«, seufzte er. »Die ›Centennial‹ wird noch einige Zeit auf dem Dock liegen, bevor sie fertig ist. Ich werde mich um eine Mannschaft und um Charter kümmern müssen. Der Mechaniker wird mir einige Dinge zeigen, aber ich habe mich schon ausgiebig mit dem Thema beschäftigt. Auch auf einem Dampfer muss man Kurs halten, Karten lesen und den Sextanten bedienen können.«
»Es fällt dir schwer, nicht wahr?« Sie schmiegte sich an ihn, schloss die Augen und genoss den Duft seiner Haut, immer leicht salzig und würzig.
»Die ›Lessing‹ war jahrelang mein Leben, sie ist untrennbar mit dir verbunden. Hätte ich damals nicht die Werft deines Onkels aufgesucht, hätten wir uns nie getroffen, mein Liebes.« Wieder seufzte er. »Hast du es jemals bereut?«
»Meinem Herzen gefolgt zu sein? Nein, niemals. Meine Liebe zu dir ist noch größer geworden in den Jahren.«
»Ich hätte mir ein leichteres Leben für dich gewünscht.«
»Ein anderes Leben kann ich mir gar nicht vorstellen. Mir gefällt es so, wie es ist.« Dann lachte sie leise. »Es wird nur Zeit, dass Darri wiederkommt, denn ihre Cousine Jiba ist lange nicht so geschickt wie sie.«
»Ach, das ist ihre Cousine?«
Emilia zuckte mit den Schultern und lachte leise. »Ob sie es wirklich ist, weiß ich nicht. Denn es ist inzwischen die achte Frau, die sich als Darris Cousine bei mir vorgestellt hat. Ich bin mir nicht sicher, ob sie es mit den Verwandtschaftsbezeichnungen so halten wie wir.«
»Da ja noch einige Zeit vergehen wird, bis ich wieder in See stechen kann, habe ich mir überlegt, mit dir und den Kindern einen Ausflug in die Blue Mountains zu machen. Oder würdest du lieber zu einem der Strände fahren? Bondi oder Taylors Bay?«
»Blue Mountains? Die Hotels dort nehmen schwindelerregende Preise
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