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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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angekommen, böte sich mir eine neue Aussicht, und vielleicht, wenn er mit mir käme und wir zusammen dort oben stünden, würde ich noch mehr über Ky erfahren.
    Ich kann es kaum erwarten, ihn wiederzusehen und nach seiner Geschichte zu fragen. Wird er wieder etwas für mich dabeihaben?
    Ich platze regelrecht auf die Lichtung und grinse den Offizier an.
    »Sie haben heute Konkurrenz bekommen«, sagt er, während er meine Aufstiegszeit in seinem Datenpod speichert.
    Was soll das heißen? Ich blicke mich um und entdecke Ky. Ein Mädchen sitzt neben ihm, mit goldglänzendem Haar, das ihr über den Rücken fällt. Livy.
    Ky lacht über irgendetwas, was sie gesagt hat. Mit keiner Bewegung, keiner Geste deutet er an, dass er möchte, dass ich mich zu ihm setze. Er beachtet mich gar nicht. Livy hat meinen Platz eingenommen. Ich gehe einen Schritt auf die beiden zu, um ihn zurückzuerobern.
    Livy hält Ky einen Stock hin. Er zögert keinen Augenblick. Er greift den Stock knapp oberhalb ihrer Hand, und ich beobachte, wie er ihr dabei hilft, schwungvolle Bewegungen auszuführen.
    Bringt er ihr das Schreiben bei?
    Statt auf sie zuzugehen, weiche ich hastig zurück, drehe mich um und entferne mich: von den Reflexionen des Sonnenlichts auf ihren Haaren, von ihren Händen, die sich fast berühren und Buchstaben in die Erde gekratzt haben, von Kys Augen, die mich gemieden haben und von dem Platz in der Sonne, der umweht vom Wind und geflüsterten Worten mir gehören sollte.
    Wie soll ich mit Ky reden, wenn sie direkt daneben sitzt? Wie soll ich so schreiben lernen? Wie soll ich mehr über ihn erfahren?
    Die Antwort ist einfach: gar nicht.

    Am Fuße des Hügels hält uns der Offizier einen kurzen Vortrag. »Morgen gibt es eine Programmänderung. Warten Sie an der Arboretum-Haltestelle auf mich, damit ich Sie zu unserem neuen Übungsgelände führen kann. Mit diesem Hügel sind wir fertig.«
    »Endlich«, sagt Ky hinter mir, so leise, dass nur ich es hören kann. »Ich habe mich schon fast wie Sisyphus gefühlt.«
    Ich weiß nicht, wer Sisyphus ist. Am liebsten würde ich mich umdrehen und Ky fragen, aber ich tue es nicht. Er hat Livy das Schreiben beigebracht. Erzählt er ihr auch seine Geschichte? Habe ich mir etwas vorgemacht, als ich mir einbildete, ihm etwas zu bedeuten? Vielleicht kennen viele Mädchen Kys Geschichte und sind auf das Geschenk hereingefallen, ihre Namen schreiben zu lernen.
    Schon während ich all das denke, weiß ich, dass es Unsinn ist, aber ich werde das Bild einfach nicht los, wie seine Hand die ihre führt.
    Der Offizier bläst in seine Trillerpfeife zum Signal, dass der Unterricht beendet ist. Als ich mich auf den Weg mache, halte ich mich ein wenig abseits von den anderen. Nach ein paar Schritten höre ich Ky hinter mir.
    »Möchtest du mir etwas sagen?«, fragt er leise. Ich weiß, wonach er fragt. Er möchte weitere Zeilen des Gedichts hören.
    Ich schüttele den Kopf und wende mein Gesicht ab. Er hatte keine Wörter für mich. Warum sollte ich ihm meine Worte schenken?
    ***
    Ich wünschte, meine Mutter wäre nicht fort. Der Zeitpunkt dieser Reise ist merkwürdig – im Sommer ist im Arboretum am meisten zu tun, so viele Pflanzen müssen versorgt werden. Aber vor allem wünsche ich mir, dass sie für
mich
da wäre. Wie soll ich mich ohne sie auf mein erstes offizielles Rendezvous mit Xander vorbereiten?
    Ich ziehe saubere Zivilkleidung an und wünschte, ich hätte noch das grüne Kleid. Besäße ich es noch, würde ich es tragen, als Erinnerung für uns beide, wie alles noch vor einem Monat gewesen ist.
    Als ich in die Diele trete, erwarten mich mein Vater und mein Bruder schon. »Du siehst schön aus«, sagt mein Vater.
    »Du siehst okay aus«, sagt Bram.
    »Danke«, sage ich und verdrehe die Augen. Bram sagt das immer, wenn ich ausgehe. Sogar am Abend des Paarungsbanketts hat er das gesagt. Obwohl ich mir einbilde, dass es da ehrlicher klang.
    »Mama versucht, heute Abend anzurufen. Sie möchte alles über dein Treffen erfahren«, sagt mein Vater.
    »Ich hoffe, dass sie es schafft.« Der Gedanke daran, mit meiner Mutter reden zu können, beruhigt mich.
    Der Gong zum Abendessen ertönt in der Küche. »Essenszeit«, sagt mein Vater und legt den Arm um mich. »Möchtest du, dass wir hier mit dir warten, oder sollen wir dich lieber allein lassen?«
    Bram ist schon auf halbem Weg zur Küche. Ich lächele meinen Vater an. »Geh du nur mit Bram essen. Ich komme schon zurecht.«
    Mein Vater küsst mich

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