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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: helga zeiner
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gestürzt, lange Stunden hinter ihrem Schreibtisch verbracht und es genossen, als Letzte das Gebäude zu verlassen. Am liebsten hätte sie sogar noch dort übernachtet, denn seit ihrer Rückkehr aus Lightning Ridge empfand sie ihr Zusammenleben mit Dieter nur noch als Last. Es war, als würde sie in einem Sumpfgebiet hausen. Sie ekelte sich vor ihm. Er zog sie in die Tiefe, schwer und glitschig, war immer anwesend, wenn sie ihn eigentlich nicht sehen oder hören wollte, und immer abwesend und nicht greifbar, wenn sie ihn brauchte. Rechnungen bezahlen, den Mietvertrag verlängern, das Auto in die Reparatur bringen, bei all diesen Dingen war er unauffindbar.
    Doch wenn sie ausgelaugt nach Hause kam und ein stilles Bad nehmen wollte, am Sonntagmorgen ausschlafen oder einfach nur am Fenster sitzen und nachdenken wollte, war er jedes Mal mehr als anwesend. Lauernd und penetrant. Sie fühlte sich beobachtet und begutachtet, trotzdem ertrug sie seinen Zynismus und seine Oberflächlichkeit geduldig, während sie sich insgeheim überlegte, wie sie ihn am besten und am schnellsten loswerden konnte. Die Wohnung war teuer und ihr Gehalt zu gering, um sie alleine halten zu können. Selbst wenn sie ihre geheimen Ersparnisse heranziehen würde, könnte sie die hohe Miete und die nötigen Lebenshaltungskosten nicht lange aufbringen. Alle größeren Ausgaben wurden von Dieters Einnahmen bestritten. Inzwischen erhielt er umfangreiche Aufträge, und da sie die Rechnungen für ihn tippte und sein Konto verwaltete, wusste sie genau, über wie viel Geld er verfügte. Sein Honorar für eine einzige Fotoserie war so hoch wie ihr ganzes Jahresgehalt. Immer wieder zweigte sie kleinere Beträge von seinen Verdiensten ab und buchte sie auf ihr eigenes Konto, aber er musste wohl etwas bemerkt haben, denn in letzter Zeit hatte er öfters misstrauisch reagiert und nach den Kontoauszügen gefragt. Noch waren ihm die harmlosen Beträge allerdings nicht ins Auge gestochen.
    Sie zündete sich eine Zigarette an, suchte den Aschenbecher und fand ihn übervoll neben der Küchenspüle stehen. Dieter war gestern Abend noch lange aufgeblieben und sie hatte ihn im Wohnzimmer rumoren hören, ohne die sonst übliche musikalische Untermalung, mit der er sie meist am Einschlafen hinderte, ehe er in den frühen Morgenstunden dann endlich auf seinem Behelfsbett einschlief. Er hielt sich kommentarlos an die von ihr aufgestellten Regeln. Das Schlafzimmer gehörte ihr, während er auf dem Sofa im Wohnzimmer nächtigte und auch keine Gäste mehr mitbrachte, seitdem sie von Lightning Ridge zurückgekommen war. Dafür ging er nun jede Nacht, sobald er zu Hause war, wie ein Raubtier im Käfig unruhig im Wohnzimmer auf und ab, und sie wusste nicht, wann und wie sie ihm die Käfigtür öffnen sollte. Es war einfach noch zu früh dafür! Erst musste sie sich eine Gehaltserhöhung in ihrer Firma sichern. Und eine kleinere Wohnung finden.
    Isabella stippte die Asche ihrer Zigarette auf eine benutzte Untertasse und setzte sich neben das Telefon, obwohl sie genau wusste, dass sie Eva wieder nicht anrufen würde. Wäre Eva nicht schwanger, wäre es auch nicht weiter schlimm gewesen, und sie hätte sich nicht so schuldig gefühlt.
    Sie konnte sich in letzter Zeit einfach zu nichts aufraffen. Ihre Energie verpuffte, sobald sie ihre Arbeitsstelle verließ, von der Cremorne Fähre ging und in den Bus nach Mosman stieg. Je näher sie ihrer Wohnung kam, desto schwerer schienen ihre Beine, umso schwüler die Luft zu werden. Hoffentlich würde der Herbst bald kommen! Damit sie wieder klarer denken und sich einen Ausweg überlegen konnte.
    Aber morgen würde sie Eva ganz bestimmt anrufen und ihr anbieten, sich endlich einmal wieder zu treffen. Würde nach ihrer Gesundheit fragen, und nach dem Baby. Was man eine Schwangere, die sich auf ihr Kind freute, eben so alles fragen sollte. Danach würde sie die Wohnung aufräumen und die Wäsche zum Waschsalon bringen. Sie hatte fast nichts mehr anzuziehen. Eigentlich konnten sie sich jetzt ohne weiteres eine eigene Waschmaschine leisten, im Keller des Apartmentblocks war sogar ein Platz dafür vorgesehen. Vielleicht sollte sie einfach eine kaufen. Schließlich würde es bestimmt noch Jahre dauern, bis sie von Dieter loskam.
    Resigniert seufzte sie auf und sah sich in der Wohnung um. Dabei entdeckte sie einen Zettel mit Dieters Handschrift auf dem Beistelltisch neben dem Telefon und wunderte sich, warum sie ihn nicht schon zuvor bemerkt

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