Die Auswanderinnen (German Edition)
Nase geprickelt hatte. All das war Jo Ann für ihn. Kostbar, unschätzbar, zart und herb zugleich, und unerreichbar. Und so ließ er seine Lippen diese Mal etwas länger auf ihrer weichen, für ihn so verlockend duftenden Haut verweilen und flüsterte in ihr Ohr: „Wie machst du das nur, dass du immer so gut riechst?“
Für den Bruchteil einer Sekunde gab sich Jo Ann dem wunderbaren Gefühl hin, die Johns Nähe in ihr auslöste. Doch dann spürte sie, wie er sie auch mit seinem linken Arm umfasste und ihren Körper so nah an sich heranzog, dass sie sogar seine Bauchmuskeln fühlen konnte. Plötzlich merkte sie, dass sein Körper weitere deutliche Signale aussendete. Und so stieß sie ihn, bevor sie noch schwach werden und seinem Drängen nachgeben konnte, grob von sich, ging um den Tresen herum und setzte sich mit gebührendem Sicherheitsabstand auf einen der Barhocker.
John seufzte enttäuscht auf, lächelte sie aber gleich wieder an, weil er ahnte, dass sie nicht ohne wichtigen Grund zu ihm gekommen war. Fast immer nahm er ihre Stimmungsänderungen mit der Empfindsamkeit eines Seismographen wahr, auch wenn er deren Ursache nicht kannte.
„Was möchtest du trinken?“, fragte er sie daher sachlich.
„Mineralwasser bitte, im größten Glas, das du finden kannst. Es ist schon ziemlich warm draußen.“ Hoffentlich hatte sie ihn eben nicht zu sehr vor den Kopf gestoßen. Schließlich wollte sie Informationen aus ihm herauskitzeln, ohne dass er Verdacht schöpfte.
„Warst du bei deiner Mine?“ John hatte ihre schweren Stiefel bemerkt, die sie vor dem Einsteigen in ihren Pick up nur notdürftig vom Lehm befreit hatte.
Jo Ann nickte.
Langsam wanderte sein Blick über das Oberteil ihres Jogginganzugs, dessen Reißverschluss etwas zu tief heruntergezogen war. John musste sich zwingen nicht zu starren. „Und?“ fragte er schnell. „Alles in Ordnung?“
„Alles in Ordnung!“
Er bückte sich und holte eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlregal unter dem Tresen. Schweigend schenkte er ihr ein und schob ihr das Glas zu.
„Was gibt’s Neues?“, fragte sie unvermittelt. Sie wischte sich mit einer Papierserviette, die auf dem Tresen lag, den Schweißfilm vom Gesicht und zog, um sich Kühlung zu verschaffen, den Reißverschluss ihres Oberteils noch ein Stückchen weiter auf, ohne sich bewusst zu werden, dass sie damit den Blick auf ihren Brustansatz freigab.
„Nicht viel.“ John ging um den Tresen herum und setzte sich auf den Barhocker neben sie. Er bemühte sich, ihren üppigen Busen, der sich im Rhythmus ihres Atems hob und senkte, zu ignorieren, denn er kannte ihre Aversion gegen diese Art männlicher Aufmerksamkeit nur zu gut.
„Mira hat angerufen“, begann er zu plaudern, um seine Hormone wieder einigermaßen unter Kontrolle zu bekommen. „Sie ist gut in Brisbane angekommen, aber anscheinend ist dort der Teufel los. Ihr Mann hat ihr, das musst du dir mal vorstellen, über seinen Anwalt mitteilen lassen, dass er sich scheiden lassen will. Dabei wohnen sie im selben Haus! Mira ist so wütend auf den Feigling, dass sie ihn fertig machen will.“
„Warum denn das so plötzlich? Ich dachte, er wollte sich nie scheiden lassen?“, fragte Jo Ann nicht wirklich interessiert. Obwohl sie Mira wirklich gern hatte, wurden deren Eheprobleme momentan von ihren eigenen Sorgen in den Hintergrund gedrängt.
„Was weiß ich! Wahrscheinlich bekommt seine Geliebte ein Kind!“ Wie sich später herausstellen sollte, hatte John mit dieser Vermutung den Nagel auf den Kopf getroffen.
„Dann ist es bestimmt besser für Mira, wenn sie sich trennen. Sie braucht endlich einmal eine klare Linie.“
„So wie du!“ John forschte in ihrem Gesicht nach einem Hinweis auf das, was sie so beschäftigte und sie unbedingt vor ihm verbergen wollte. „Erzähl mir doch nichts. Du lebst nun schon so lange allein, warum gehst du eigentlich keine Beziehung mehr ein? Ich sage dir warum! Weil du Angst hast! Gott weiß warum, aber du hast Angst. Dabei hast du doch, soweit ich informiert bin, eine gute Ehe geführt.“
Jo Ann bestätigte dies, ohne zu zögern, mit einem knappen Nicken. Sie hatte bisher noch alle belogen – warum also nicht auch John.
„Befürchtest du vielleicht, dass dein nächster Partner wieder vor dir stirbt und dich alleine lässt? Das muss nicht so kommen“, wagte er sich weiter vor.
„Herzlichen Dank für die Analyse, aber mein Mann ist schon so lange tot, dass ich mich kaum noch an ihn erinnern
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