Die Baeren entdecken das Feuer
Kleintransporter kam bereits die Straße hoch, vermutlich um den Hunden zu folgen. Die Insassen sahen mich irgendwie komisch an, als sie an mir vorbeifuhren, doch ich ignorierte sie. Unten am Teich wurde gerade der Käfig zurückgezogen. Man holte sechs weitere Hunde von den Lastwagen, und ein Mann hielt mit ausgestrecktem Arm einen Jutesack vor sich, in dem sich etwas hin und her wand.
Ein weiterer Waschbär.
Sie setzten ihn in den Käfig. Ich hätte eigentlich weiterfahren müssen, da ich wo erwartet wurde. Doch die ganze Sache war irgendwie interessant, oder vielleicht sollte ich eher sagen faszinierend, und ich mußte einfach noch mehr davon sehen. Ich fuhr die Straße hundert Yards hoch und hielt am Rand des Waldes an.
Dann stieg ich aus.
Das Unterholz am Rande der Straße war ziemlich dicht, doch als ich erst einmal im Wald war, der hauptsächlich aus Eichen, Gummi- und Hickorybäumen bestand, kam ich etwas besser voran. Ich ging den Abhang in Richtung Teich hinunter und trat leise auf, damit ich lauschen konnte. Ich konnte am Gebell hören, daß die Hunde ins Wasser sprangen. Ich konnte sagen, wann der Käfig anhielt und wann er sich wieder in Bewegung setzte. All das ließ sich dem Gebell der Hunde entnehmen. Fast konnte ich dadurch auch des Entsetzen des Waschbären spüren, wenn der Käfig anhielt, und seine törichte Arroganz, wenn er sich wieder in Bewegung setzte.
Auf halber Höhe des Abhangs blieb ich auf einer kleinen Lichtung am Fuße einer großen hohlen Buche stehen. Auf allen Seiten umgaben mich dichte Büsche, wirr durcheinanderliegende herabgefallene Äste und Unterholz. Das Bellen wurde lauter und wilder, und ich wußte, daß der Käfig sich dem Ende des Seils näherte. Wütendes Geheul war zu hören, und ich wußte, daß der Waschbär im Wald verschwunden war. Ich stand absolut reglos da. Kurz darauf hörte ich ein deutliches, gleitendes Geräusch, und ohne Vorwarnung, ohne daß sich auch nur ein Blatt bewegt hätte, kam der Waschbär aus den Büschen und rannte direkt auf mich zu. Ich war zu verblüfft, um mich rühren zu können. Er flitzte mir fast über die Füße – ein schwarz-weißer Fleck – und war im Nu den Berg hoch und wieder im Buschwerk verschwunden. Einen Augenblick lang taten mir die Hunde fast leid: Wie konnten sie hoffen, solch ein Geschöpf je zu erwischen?
Dann hörte ich die Hunde wieder. Erbarmungslos ist die richtige Bezeichnung für sie. Wenn sie im Wasser so ausgesehen hatten, als bestünden sie nur aus aufgerissenen Mäulern, dann klangen sie im Wald so, als bestünden sie nur aus Klauen und Geifer. Ihr Bellen wurde lauter und wilder, während sie – mindestens sechs waren es – näher kamen, dem Waschbären direkt auf den Fersen. Dann hörte ich weiter unten am Abhang ein Krachen und Knacken im Unterholz, und ich sah, wie die Büsche in heftige Bewegung gerieten, als komme dicht am Boden ein Sturm auf. Dann hörte ich das Klacken von Klauen auf trockenen Blättern, das immer näher kam. Dann sah ich einen verschwommenen gelben Heck, als die Hunde aus den Büschen stürmten und über die Lichtung direkt auf mich zurannten. Entsetzt wich ich zurück.
In dem Moment kam mir zu Bewußtsein – oder vielleicht sollte ich eher sagen, fiel mir ein –, daß ich meinen Anzug aus Waschbärenfell anhatte.
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Originaltitel: ›THE COON SUIT‹ • Copyright © 1991 by Mercury Press, Inc. • Erstmals veröffentlicht in: ›The Magazine of Fantasy and Science Fiction‹, Mai 1991 • Copyright © 1998 der deutschen Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München • Aus dem Amerikanischen übersetzt von Michael Koseler
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George
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Den Sommer vor Georges Geburt verlebten Katie und ich in einem Haus auf einem hohen Hügel. Auf drei sanft ansteigenden Hängen wächst Gras, das vom Wind kurzgehalten wird. Hinterm Haus aber fällt der Hügel steil und felsig ab ins Meer. Das Haus steht oben auf der Kuppe, rund zehn Meter von der Abbruchkante entfernt. Das Meer ist von dort aus nur an seinem äußersten Rand zu sehen, da, wo es in den Himmel übergeht. Die Klippe ist so hoch und der Wind vom Meer so geräuschvoll, daß man die Brandung normalerweise nicht hören kann, nicht einmal vom Rand der Klippe aus. Ich habe mich oft ganz nah herangewagt und nach unten geschaut. Bis auf das Windbrausen war nichts zu hören, und wie riesige Schwingen bewegten sich die Wellen hin und her, schlugen gegen Wind und Fels, die sie zu bannen schienen.
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