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Die Ballade der Lila K

Die Ballade der Lila K

Titel: Die Ballade der Lila K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blandine Le Callet
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Katzenfutter zu bestellen.«
    »Keine Sorge, ich finde schon einen Weg. Sie bekommen einen Teil meiner Rationen. Und wenn das nicht reicht, schicke ich Pascha auf die Jagd. Inzwischen müsste er wissen, wie das geht.«
    »Das gefällt mir nicht.«
    »Sie sind also einverstanden?«
    »Du kennst mich einfach zu gut«, brummte er.
    »Das heißt, Sie sind wirklich einverstanden?«
    »Das heißt, dass ich ein Auge zudrücke, bis die Katze wirft. Wenn du sie dann nicht meldest, werde ich es tun, ich warne dich!«
    Ich lächelte.
    »Danke, Fernand. Es bedeutet mir wirklich viel, sie noch ein Weilchen behalten zu können.«
    Das war nicht gelogen. Meine Erinnerungen wurden jeden Tag schmerzlicher, und ich hatte das Bedürfnis, in meiner Wohnung nicht ganz allein zu sein.
    ***
    Zunächst lief alles bestens. Sobald der letzte Freier weg war, holte sie mich aus dem Schrank und trug mich zum Bett. Den Rest der Nacht verbrachte ich an ihrer Seite, wie früher. Wie früher wartete ich den ganzen Tag darauf, dass sie wach wurde. Es hatte sich praktisch nichts geändert.
    Dann ging es ihr allmählich schlechter. Das lag natürlich an den Drogen, die sie seelisch und körperlich zerfraßen. Aber wie hätte sie es ohne Betäubung auch aushalten sollen? Bis zu zwanzig Nummern pro Nacht. Von irgendwas muss man ja leben.
    Es begann damit, dass sie mich nicht mehr aus dem Schrank holte, wenn sie fertig war. Das störte mich nicht weiter. Sobald ich wach wurde, schob ich die Tür auf und betrachtete sie beim Schlafen. Solange ich sie sehen konnte, war ich beruhigt.
    Sie schlief immer länger in den Tag hinein. Ich ahnte schon, dass das nicht normal war. Kinder spüren so etwas meistens. Manchmal dauerte es so lange, dass ich dachte, sie sei tot. Wenn ich es vor Sorge nicht mehr aushielt, stand ich auf, um zu prüfen, ob sie noch atmete. Ich streckte mich neben ihr auf dem Boden aus und hing förmlich an ihren Lippen.
    Beim Aufwachen sagte sie: Ach, da bist du ja, meine Kleine  … Sie schenkte mir ein halbes Lächeln, dann murmelte sie voller Überdruss: Geh wieder ins Bett, bitte, Mama ist so müde, und zeigte auf den Wandschrank. Ich gehorchte froh. Es machte mir nichts aus, wieder im Dunkeln zu warten, wenn sie nur in meiner Nähe war. Mich anlächelte, mit mir sprach. Mehr verlangte ich gar nicht.
    Die Drogen stürzten sie oft ins Delirium. Manchmal war die Betäubung so stark, dass sie mehrere Tage in Folge vollkommen weggetreten liegen blieb. Es kam durchaus vor, dass sie mich in diesem Zustand vergaß.
    So habe ich mir das Schlüsselbein gebrochen: weil sie mich etwas länger als sonst vergessen hatte. Seit zwei Tagen hatte sie mir nichts mehr zu essen gegeben. Ich hörte sie auf dem Bett wimmern, traute mich aber nicht, den Wandschrank zu verlassen, weil ich sie nicht stören wollte. In diesen Phasen war sie kaum ansprechbar.
    Am Morgen des dritten Tages habe ich mir ein Herz gefasst und den Wandschrank trotzdem verlassen. Ich hatte solchen Hunger. Sie schlief. Wenn ich nur schön leise wäre, würde sie gar nicht merken, dass ich rausgegangen war.
    Die Dosen standen hoch oben auf einem Regal aufgereiht. Grüne Augenpaare starrten mich serienweise an. Ich schob den Karton, der sonst als Hocker diente, heran und kletterte darauf, um nach den Dosen zu greifen. Aber selbst als ich mich auf die Zehenspitzen stellte, erreichte ich mit den Fingern nur den Regalrand. Die grünen Augen sahen mich unentwegt an, starr und stechend, was mein Hungergefühl umso stärker hervortreten ließ.
    Als der Karton plötzlich unter meinen Füßen nachgab, klammerte ich mich an den Regalrand. Ein paar Sekunden lang hing ich so in der Luft. Dann krachte alles mit einem Riesengetöse zusammen. Durch meine Schulter fuhr ein Blitz. Danach weiß ich gar nichts mehr.
    Sie war über mich gebeugt, als ich die Augen wieder aufschlug. Der Schmerz breitete sich in meinem ganzen Körper aus, grüne und blaue Flecken tanzten mir vor Augen.
    »Was hast du denn gemacht, verdammt? Jetzt sieh dir mal die Bescherung an!«
    Ich warf den Kopf zurück und sah durch den Fleckenschleier das abgebrochene Regal, den Gipsstaub, die Dosen, die mittendrin verstreut lagen. Da fing ich an zu wimmern.
    »Hör bloß auf zu flennen!«
    Worauf ich noch lauter wimmerte.
    »Wirst du wohl deinen Rand halten?«
    Sie packte mich. Ich schrie auf.
    »Keinen Mucks will ich mehr hören!«
    Sie schleifte mich ins Bad.
    »Du machst mich noch verrückt!«
    Sie schlug die Tür zu. Ich schrie und

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