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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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der Trikolore entführen zu lassen? Marie-Provence verbarg ihr Lachen im kostbaren Stoff. In diesem Augenblick waren all ihre
     Sorgen vergessen. Als sie aufsah, begegnete sie Andrés Blick.
    «Zieh dich aus!», sagte er rau in eine helle Atemwolke.
    Seine dunkle und ungewohnt herrische Stimme gebar ein |342| köstliches, drängendes Ziehen in ihrem Becken. Sie biss sich auf die Unterlippe. «Hier?»
    «Ich kann mir keinen besseren Ort vorstellen», antwortete er.
    «Und wenn jemand kommt?»
    Er zeigte ein raubtierhaftes Grinsen. «Du musst eben leise sein!»
    Auf einmal konnte es ihr nicht schnell genug gehen. Sie riss an ihren Verschnürungen. «Hilf mir!», bat sie ihn.
    Er lachte, trat zu ihr. Doch seine grausamen Hände zogen ihre Folter in die Länge, wanderten über ihre Haut, statt sie zu
     befreien, ignorierten ihr Flehen, entfachten tausend Herde, bis seine eigene Ungeduld sie endlich erlöste und ihrer beider
     Kleider in hohem Bogen in eine Ecke flogen. Die eisige Luft griff nach ihren nackten Körpern. Marie-Provence zog Andrés warme
     Hände an sich, rieb sich an ihnen, führte sie. «Wärme mich!» Ihre Lippen schmeckten seine glatte, feste Brust, saugten an
     seiner Haut. «Ich verbrenne», wisperte sie. Im Rhythmus ihrer Atemwolken fielen die Liebenden übereinander her, und die Welt
     um sie herum flammte auf in drei Farben.
    André raunte: «Weiß! Weiß, glatt und kühl wie deine Haut, nach der ich süchtig bin. Rot – wie die Glut, die in meinem Herzen
     pulsiert, seit ich dich zum ersten Mal sah.»
    Sie stöhnte leise, als seine Hand zwischen ihre Beine glitt. «Blau   …», flüsterte sie und öffnete sich ihm. «Blau, frei und endlos, wie die Welt dort oben, die du mir geschenkt hast   …»
    Sie umschlangen einander, wurden eins, glitten raschelnd durch eine seidigglatte Welt, die ihre Sinne aufrieb. Wie viele Arbeiter
     an diesem Nachmittag auf der Suche nach einer Anweisung bei ihnen hereingeschaut hatten, ohne dass sie es wahrnahmen, sollten
     sie nie erfahren. Sie vergaßen die Zeit.
    Als Marie-Provence erwachte, war es bereits Abend. Der Hof und die Gebäude der alten Schmiede lagen verwaist da. Das einzige
     Geräusch bildete Andrés ruhiger Atem an ihrer Schulter. Sie drehte den Kopf und betrachtete ihn.
    |343| Sie mochte es, wenn wie jetzt ein Schatten unter seinem Kiefer lag, der dessen kühnen Schwung betonte. So wie sie den Hauch
     von Verruchtheit liebte, der ihm anhaftete, wenn er neben ihr ruhte, mit seinem wirren Lockenschopf und dem dunklen Bartschatten
     auf seiner hellen Haut. Dann umgab ihn die Aura eines Piraten. Ein wollüstiger Schauer huschte über ihre Haut. Ja, in Augenblicken
     wie diesen hatte er mehr von einem Freibeuter als von einem Forscher   …
    Sie hielt den Atem an, versteifte sich, horchte in sich hinein. Warum beichtete sie ihm nicht, dass sie ihn liebte, so wie
     Rosanne es ihr immer riet? Andererseits, was hätte ihr dieses Eingeständnis gebracht? Sie würde ihn verraten und verlassen,
     und er würde sie dafür verwünschen und hassen und für alle Zeit verdammen. Eine tiefe, noch nie empfundene Angst überrollte
     sie, drückte ihr auf die Brust. Sie richtete sich ruckartig auf. Ich weiß nicht, wie ich das ertragen soll!, schrie es in
     ihr
.
Dennoch würde es genau so kommen. Denn die einzige Alternative wäre ein anderer Verrat, der den Tod eines kleinen Jungen zur
     Folge hätte.
    Und panisch erkannte sie, dass sie schon lange keine Wahl mehr hatte.
    ***
    «Was willst du denn damit, citoyenne?», fragte der wachhabende Soldat in der grande tour Marie-Provence streng, sobald sie
     den Treppenabsatz erreicht hatte.
    «Es dient der Erholung des Patienten, Soldat», intervenierte Jomart.
    Marie-Provence lächelte, während sie die vier Töpfe an sich presste. «Es sind nur ein paar Pflanzen, citoyen soldat. Ein Versuch,
     ein wenig Farbe und Freude in die Zelle des kleinen Gefangenen zu bringen», versuchte sie, den Mann zu becircen.
    «Mir ist keine neue Vorschrift bekannt, die besagt, dass dem Gefangenen Freude zu bereiten wäre. Was kommt als Nächstes? Akrobaten,
     Taschenspieler?»
    |344| «Salut et fraternité, docteur», grüßte es republikanisch, und ein Mann, der sich im Hintergrund aufgehalten hatte, trat zu
     ihnen. «Es ist schon in Ordnung, die Blumen habe ich bestellt», behauptete er.
    Der Soldat zuckte die Schultern. «Wie du willst, citoyen Gomin. Bin mal gespannt, was der Repräsentant der commune dazu sagen
     wird, der in

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