Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
neue Steuerparadies Dominica – sein International Business Companies Act No. 10 war erst 1996 verabschiedet worden – hatte sich durch Effizienz und Diskretion rasch einen guten Namen gemacht. Der souveräne Staat war von amerikanischen und europäischen Vorschriften nicht betroffen, und Gesetz Nr. 10 stellte die Weitergabe persönlicher Informationen – auch von Informationen über kriminelle Delikte – unter Strafe. Es gibt keine Devisenkontrollen, keine Börsenaufsicht, keine Überprüfungen von dort tätigen Unternehmen.
Die fünfzig Kilometer lange und halb so breite Insel weist dichte Urwälder, enge Täler, hohe Wasserfälle und eine zerklüftete Küste auf. Obwohl sie nur siebentausend Einwohner hat, von denen die meisten in der Hauptstadt Roseau leben, ist ihre Elektro- und Kommunikationsinfrastruktur ungewöhnlich modern. Umweltschützer klagen regelmäßig über alle möglichen Antennen, die auf Berggipfeln in Naturschutzgebieten stehen. Anderswo irritieren Blinkleuchten die zahlreichen Sporttaucher. Für sie zerstören solche Anzeichen von Modernität ihre lieb gewonnene Illusion von einem abgelegenen Garten Eden.
Belknap hatte keine solchen Illusionen. Er war auch nicht in der richtigen Stimmung, um die tropische Üppigkeit der Insel zu bewundern. Sofort nach ihrer Ankunft begaben Walt Sachs und er sich zu einer Art Hütte, die etwa dreihundert Meter vom
Flughafen Melville Hall entfernt war. Ein knallgelbes Reklameschild verkündete, dass hier der Autoverleih Island Rent-a-Car residierte.
»Mein Name ist Henry Giles«, sagte Belknap. »Ich habe einen Geländewagen bestellt.« Obwohl er das Zahnteil herausgenommen hatte, tat ihm der Mund noch immer weh.
»Der Geländewagen is kaputt, Mon«, antwortete der Mann hinter der Theke in seinem melodischen Sing-Sang. »Is heuer im Karneval zu Bruch gegang’n. Funktioniert seitdem nicht mehr richtig.«
»Lassen Sie oft Leute Autos reservieren, die dann nicht fahrbereit sind?«, fragte Sachs. Nach dem langen Flug war er in miserabler Stimmung.
»Muss ’n Versehen gewesen sein. Manchmal geht meine Frau ans Telefon. Und die ist seit dem Hurrikan von sechsundachtzig nich mehr ganz richtig im Kopf.« Beim genaueren Betrachten stellte er fest, dass der Mann weit älter sein musste, als er auf den ersten Blick vermutet hatte. Sein kahl geschorener Schädel glänzte in der Tropenhitze, und seine teerschwarze Haut schien dicht davor zu sein, sich zu verflüssigen.
»Was können Sie mir geben, mein Freund?«
»Ich hab ’nen Mazda. Angeblich mit Zweiradantrieb, aber ich weiß nich, ob immer so viele Räder angetrieben wer’n.«
»Was fahren Sie?«
»Ich, Mon? Mir gehört dieser alte Jeep dort drüben.« Er sprach »dort drüben« wie »do’ drüww’n« aus.
»Was kostet es, den zu mieten?«
Der Alte sog missbilligend und nachdenklich Luft durch die Lücke zwischen den Vorderzähnen ein. »Aber das is mein Wagen.«
»Wie viel wollen Sie dafür?«
Der Autovermieter knöpfte ihm zweihundert US-Dollar ab, bevor er den Schlüssel seines Jeeps herausrückte.
»Wohin woll’n Sie, Mon?«, fragte er, während er das Geld einsteckte. »Was woll’n Sie in dissem Inselparadies seh’n?«
Belknap zuckte mit den Schultern. »Ich wollte schon immer mal zum Kochenden See.« Der Kochende See – eine geothermische Kuriosität, eine vollgelaufene Fumarole – gehörte zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten Dominicas.
»Dann ham Sie Glück. Er kocht nich immer, wiss’n Sie. Letztes Jahr hatter bloß gedampft, Mon. Aber dies Jahr isser mächtig heiß. Seh’n Sie sich also vor!«
»Gut, ich werd dran denken.«
Sie waren auf der Straße nach Süden in Richtung Roseau unterwegs. Walts Stimmung hatte sich weiter verschlechtert. »Mit Ihrer gottverdammten G.-I.-Joe-Masche bringen Sie mich noch um«, jammerte er. »Sie könnten wenigstens versuchen, sich zu behaupten.«
Belknap musterte ihn schweigend, gab jedoch keine Antwort.
Mit Früchten behangene Äste – Limonen, Bananen, Guajava zwischen dicken, wächsernen Blättern – streiften sie unterwegs fast, und der Jeep ohne Stoßdämpfer schien alle Unebenheiten der Straße zu verstärken. Eine so üppig grüne Landschaft hatte Belknap selten gesehen.
»Wissen Sie was?«, schmollte Sachs. »Ich glaube allmählich, dass Ihre Boot-ROM ’ne schlechte Prüfsumme hat.«
»Und wo Sie herkommen, ist das vermutlich eine Beleidigung«, sagte Belknap mit schwerer Stimme.
»Wohin sind wir genau
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