Die Bankerin
einem Mord nicht fähig und zweitens schon gar nicht auf eine solch perfide Weise …« Er drückte seine Zigarette aus, zündete sich eine neue an, sagte: »Ich habe den ganzen Tag überlegt, wie wir einen Zusammenhang herstellenkönnten, und dabei kam mir eines in den Sinn – Meyer und Neubert haben die M ARQUARDT G MB H nicht allein ruiniert, sie sind vielleicht nicht einmal auf den Gedanken gekommen, es zu tun … es steckt ein Dritter dahinter, der Marquardt vernichten will. Er hat die beiden nur – sagen wir – benutzt, und ganz ehrlich, meine Herren, wer würde bei einer Summe von zehn oder fünfzehn Millionen nicht schwach werden?« Er schnippte Asche in den Aschenbecher. »Es gibt eine dritte Person, eine, die hinter dem Konkurs der M ARQUARDT G MB H steckt. Da sie aber keinen direkten Zugriff auf die Firma hatte, bediente sie sich Meyers und Neuberts. Warum Meyer und Neubert aber dran glauben mußten – dieses Rätsel werden wir noch lösen müssen. Wer ist der unbekannte Dritte? Wer hat einen solchen Haß auf Marquardt? Und warum? Und warum werden zwei bis dahin unbescholtene Männer dazu verführt, eine gutgeführte Firma in den Ruin zu treiben, und dann ein Jahr später umgebracht? Fragen über Fragen, die uns wohl noch eine ganze Weile beschäftigen werden. Also, meine Herren, auf uns wartet eine Menge Arbeit. Ich werde persönlich noch einmal mit Marquardt reden. Es muß etwas in seinem Leben geben, das jemanden Amok laufen läßt. Nur, ich bin fast sicher, er weiß es selber nicht. Trotzdem muß ich mit ihm reden.« Er erhob sich von seinem Stuhl, zog die Jalousie hoch und drehte sich wieder um. »Das war’s für heute. Wir sehen uns morgen früh in alter Frische.«
Die Männer verließen den Raum, nur Henning blieb noch einen Augenblick; nahm den Telefonhörer in die Hand, wählte Davids Nummer. Er war selbst am Apparat.
»David, hier ist Manfred. Ich muß dich sprechen, und zwar heute noch. Wann kann ich bei dir sein?«
»Du kannst gleich kommen, wenn du willst, ich bin zu Hause. Was gibt’s denn so Wichtiges?«
»Nicht am Telefon. Ich bin in einer Viertelstunde bei dir.«
Dienstag, 18.30 Uhr
Die Marquardts saßen gerade am Abendbrottisch, als Henning klingelte. David öffnete ihm und bat ihn herein.
»Willst du mitessen?« fragte er ihn.
Henning schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe keinen Hunger. Ich setze mich solange ins Wohnzimmer, wenn’s recht ist.«
»Ich komm gleich nach. Nicht wenigstens was zu trinken?«
»Ein Glas Wasser vielleicht.«
David ging in die Küche, nahm eine Flasche Mineralwasser aus der Kiste, ein Glas aus dem Schrank und brachte es Henning. Dann begab er sich zurück an den Tisch, aß sein Teewurstbrot und die saure Gurke, trank ein Glas Orangensaft.
Johanna fragte: »Was will er schon wieder von dir?«
David zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, er hat’s mir bis jetzt nicht verraten. Ich werd’s dir nachher erzählen.« Er erhob sich, ging zu Henning, schloß die Wohnzimmertür hinter sich, setzte sich in den Sessel. Henning trank sein Glas leer, schenkte sich nach, stellte das volle Glas auf den Tisch und lehnte sich zurück. David schwieg, wartete, bis Henning den Grund seines Kommens nannte.
»David, es ist wieder etwas passiert. Es gab heute morgen wieder einen Toten im P LAZA C ENTRAL . Kannst du dir denken, wer der Tote sein könnte?«
»Nein, um ehrlich zu sein.« David schüttelte den Kopf.
»Neubert, dein Exsteuerberater. Man hat ihm die Kehle durchschnitten, die Augen ausgestochen und ihn kastriert.« David setzte sich aufrecht hin. »Bitte was – Neubert? Was wollte er hier?«
»Keine Ahnung. Wir haben genausowenig Hinweise wie bei Meyer. Und jetzt nur eine Routinefrage – wo warst du heute morgen zwischen sieben und acht?«
David verzog die Mundwinkel. »Ich habe um Punkt acht das Haus verlassen, du kannst Johanna fragen. Ich habe ein handfestes Alibi.«
»Es tut mir leid, aber ich mußte diese Frage einfach stellen.« Er faßte sich ans linke Ohrläppchen und sagte: »David, der Grund, weshalb ich eigentlich hier bin ist, nun, wie soll ich es sagen, … wir haben es hier nicht nur mit zwei Toten zu tun, die einstmals eng mit dir zusammengearbeitet haben, sondern auch mit sogenannten Terrorakten und Drohungen dir und deiner Familie gegenüber …«
»Tja, ich hab doch von Anfang an gesagt, daß das alles irgendwie zusammenhängt. Nur warum?«
»Ja, warum?« fragte Henning und nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Das Warum
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