Die Bedrohung
Nasenflügel blähten. Mit einem Mal war dem Mann, der das Geheimdienstministerium leitete, klar, was hier ablief. Er wunderte sich, dass er es nicht schon früher erkannt hatte. Farahani kam aus einer altehrwürdigen persischen Familie. Einer Familie, die ihre Wurzeln irgendwo in den großen Dynastien des Landes hatte. Es war eine sehr fromme Familie, die vorhergesehen hatte, dass der Schah seinen Thron verlieren würde, und die in einem Akt der Selbsterhaltung Ajatollah Khomeini und seine Revolutionäre unterstützte. Farahani war sehr stolz auf seine familiäre Herkunft, und er würde keine Befehle von irgendeinem dahergelaufenen Palästinenser wie Mukhtar entgegennehmen.
Innerhalb eines Sekundenbruchteils erkannte Ashani, wie dieser Konflikt ausgehen konnte. Wenn Mukhtar mitbekam, dass Farahani in Wahrheit auf ihn herabsah, würde es zur Gewalt kommen, und dann war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Farahani hinterher tot oder zumindest schwer verletzt war. Farahanis Bruder, der im Obersten Rat saß, würde sehr wütend sein. Mukhtar war zu wertvoll, um ihn zu bestrafen, also würde man ihn zurück an die Front im Libanon schicken. Mächtige Leute würden wissen wollen, warum Ashani nichts unternommen hatte, um die Wogen zu glätten, bevor der Konflikt eskalierte. So sehr es ihn auch gereizt hätte, die Dinge laufen zu lassen, sah Ashani doch, dass eine Eskalation ihm das Leben nur noch schwerer machen würde.
Ashani stieß sich von der Wand ab. »Ich kenne den Mann, von dem Sie sprechen. Er stammt in der Tat aus einer guten Familie, und genau deshalb sollten wir mit ihm sprechen.«
Farahani sah Ashani mit einem verwirrten, fast gekränkten Gesichtsausdruck an.
»Er wird ganz offen sprechen«, fuhr Ashani fort. »Wenn er irgendetwas gesehen hat, vielleicht jemanden, der ihm verdächtig vorgekommen ist, dann wird er es uns sagen.«
Farahani zögerte einige Augenblicke und gab dann seine Zustimmung.
»Gut«, sagte Mukhtar. »Wo ist er?«
Ashani sah auf seine Uhr. Es war fast Mittag. »Warum schicken Sie Ihre Leute nicht zu ihm, damit sie mit ihm ins Café fahren?« Ashani gab Farahani keine Gelegenheit, etwas einzuwenden. Er öffnete die Bürotür. »Ich warte beim Aufzug auf Sie.«
Mukhtar folgte ihm wenige Sekunden später auf den Gang hinaus. Er holte den Geheimdienstminister ein und sagte: »Dieser Mann ist ein Idiot.«
Ashani zuckte mit den Achseln. »Er ist ein fleißiger Arbeiter.«
»Wenn das alles ist, was Sie wollen, dann sollten Sie einen Ochsen einstellen.«
Ashani seufzte. »Imad, ich treffe keine Personalentscheidungen außerhalb meines Ministeriums.«
»Das sollten Sie aber.«
»Es gibt wichtigere Dinge, und auch wenn er vielleicht nicht der klügste Mann in unseren Behörden ist, so ist er zumindest unbestechlich.«
»Er mag diese Leute zu sehr. Man kann ihn zu leicht täuschen.«
»Ich weiß nicht, ob das alles so wichtig ist.«
»Was soll das heißen?«
»Wir haben zu offen über das Programm gesprochen. Die Amerikaner haben herausgefunden, dass die Anlage in Natanz nur Schein ist. Wir haben viele Millionen Dollar in eine Anlage gesteckt, die nicht halb so wichtig ist, wie wir vorgeben, damit die Amerikaner sie aufs Korn nehmen, falls sie angreifen. Es war ein guter Plan. Es leben keine Leute in unmittelbarer Nähe der Anlage. Die Amerikaner hätten den Köder geschluckt und diese Anlage hier in Ruhe gelassen.«
»Sie wissen, dass Natanz nur ein Täuschungsmanöver ist?« Mukhtars Ton verriet, dass er es noch nicht gewusst hatte.
»Ja, und jetzt wissen sie und die Israelis, dass wir alle Eier in einen Korb gelegt haben.«
»Ich glaube nicht, dass sie angreifen werden. Jedenfalls nicht aus der Luft. Sie bewegen sich in der internationalen Staatengemeinschaft ohnehin schon auf dünnem Eis.«
Ashani überlegte einen Augenblick, ob er aussprechen sollte, was er sich dachte, doch etwas in ihm wollte dem Mann die Stirn bieten. »Vor einem Jahr hätte ich Ihnen noch recht gegeben.«
»Was hat sich geändert?«
Sie erreichten den Aufzug und sahen einander in die Augen. Sie waren gleich groß. Ashani war schlank, während Mukhtar bullig war. In verschwörerischem Flüsterton sagte Ashani: »Unser guter Freund spricht ein bisschen zu offen über seinen Wunsch, Israel von der Landkarte zu tilgen.«
»Teilen Sie seine Ansichten nicht?«, fragte Mukhtar misstrauisch.
»Das habe ich nicht gesagt. Ich frage mich nur, ob es so klug ist, Drohungen auszusprechen, bevor man in der Lage ist,
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