Die Bedrohung
dass es den UN-Inspektoren vollen Zugang zu den entsprechenden Anlagen gewährte. Man konnte dem israelischen Botschafter fast ansehen, wie unangenehm ihm die Situation war.
Ashani dachte, dass Salehi damit fertig sei, doch der Mann nahm einen Schluck Wasser und verkündete, dass er noch einen Punkt vorzubringen habe. Er schilderte den furchtbaren Abschuss eines iranischen Passagierflugzeugs durch den US-Lenkwaffenkreuzer Vincennes im Jahr 1988, bei dem 290 Menschen ums Leben gekommen waren, darunter 66 Kinder. Des Weiteren zählte er ein halbes Dutzend Handelsschiffe und Schiffe der iranischen Marine auf, die versenkt worden waren. Er prangerte die massive amerikanische Unterstützung für Israel an, obwohl das palästinensische Volk weiter auf das Schlimmste unterdrückt würde. Er betonte, dass sein Land sich nicht länger von der einzigen verbliebenen Supermacht der Welt terrorisieren lasse.
Ashani hatte zunehmend das Gefühl, dass Salehi auf einen dramatischen Schlusspunkt zusteuerte.
»Diese Organisation«, sagte Salehi, »hat uns in der Vergangenheit keinen Schutz gegeben. Wir sind erneut von den beiden aggressivsten Staaten der heutigen Welt angegriffen worden, und wir werden nicht hinnehmen, dass diese Verbrechen gegen unsere souveräne Nation ungestraft bleiben. In achtundvierzig Stunden werden wir vorläufig für alle US-amerikanischen und israelischen Schiffe die Durchfahrt an der Straße von Hormus blockieren. Wir betrachten jede versuchte Durchfahrt eines Schiffes unter amerikanischer oder israelischer Flagge als kriegerischen Akt und werden entsprechend darauf reagieren.«
Im nächsten Augenblick brachen überall im Saal hitzige Diskussionen los. Salehi hielt kurz inne und begann dann über dem Stimmengewirr wieder zu sprechen. »Wenn die Vereinigten Staaten und Israel zugeben, für diesen feigen Angriff auf den souveränen Staat Iran verantwortlich zu sein, und sich zu einer entsprechenden Wiedergutmachung bereit erklären, werden wir die Straße wieder für ihren Schiffsverkehr öffnen.«
Ashani brauchte einige Augenblicke, bis ihm bewusst wurde, was diese letzte Forderung bedeutete. Amatullah hatte ihm diesen Punkt mit Absicht verschwiegen, weil er wusste, dass Ashani sich dagegen ausgesprochen hätte. Der Sicherheitsrat würde zweifellos bestrebt sein, über die Forderungen einzeln abzustimmen, und es würde Stimmen geben, die sich für Untersuchungen aussprachen, die Monate dauern konnten – doch das Sperren der Meeresstraße konnte diesen langwierigen Prozess verhindern und zu einer raschen Resolution führen. Oder es führte zu einer Eskalation, die, so fürchtete Ashani, seinem Land weiteren Schaden zufügen würde. Er blickte zum Präsidenten hinüber und war kein bisschen überrascht, dass Amatullah mit selbstzufriedener Miene in Richtung Fernseher nickte. Ashani hatte das ungute Gefühl, dass Amatullah eine Konfrontation im Golf anstrebte.
27 MOSUL, IRAK
Rapp saß in Massouds Fernsehraum zusammen mit Ridley, Stilwell, Massoud und einem von Massouds Neffen. Sie verfolgten ebenfalls das Geschehen bei den Vereinten Nationen, doch statt Tee und Wasser tranken sie Bier und rauchten Zigarren. Rapp war von den Iranern einiges an merkwürdigem Verhalten gewohnt, vor allem von ihrem Präsidenten. Sie sprachen vollmundig von Dingen wie Pressefreiheit und warfen den Vereinigten Staaten vor, diese zu untergraben. Rapp wusste, dass man dieser iranischen Regierung einiges zutrauen musste – dass sie aber so weit gehen würde, die Straße von Hormus für US-Schiffe zu blockieren, hatte er nicht erwartet. Wenn es um Fragen wie Menschenrechte oder freie Meinungsäußerung ging, war eine objektive Beurteilung immer schwierig, weil es hier einen großen Interpretationsspielraum gab. In einem Fall wie diesem war das jedoch anders: Ein Flugzeugträger, der durch die dreißig Kilometer breite Meerenge fuhr, war nicht zu übersehen.
Das Problem war nur, dass es sich hier um internationale Gewässer handelte, die, wie der Name sagte, international und somit für alle zugänglich waren. Dem Iran gehörte ein zwanzig Kilometer breiter Streifen vor der iranischen Küste, und kein Zentimeter mehr. Solange die Vereinigten Staaten diesen Abstand einhielten, konnten die Iraner nichts dagegen unternehmen. Das würde zumindest ein logisch denkender Mensch annehmen, doch Rapp wusste es besser. Der Iran machte sich gern seine eigenen Gesetze und veränderte sie nach Belieben. Sie handelten nach dem Grundsatz, dass
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