Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
ihre Mutter mit großen Augen.
»Ja, er ist … also, es ist der Mann, den ich mit dem Auto angefahren habe.«
Ihre Mutter atmete hörbar ein. »Ich wusste nicht, dass du einen Unfall hattest. War das, als du mir erzählt hast, du hättest dich in der Dusche verletzt?«
Mels blickte auf ihre Hände. »Ich wollte dich nicht beunruhigen.«
»Das erklärt wohl auch, warum dein Auto weg ist.«
»Es war nicht schlimm. Ehrlich, mir geht’s gut.« Na ja, mal abgesehen davon, dass sie sich scheiße fühlte, weil sie ihre Mutter belogen hatte.
Sie wappnete sich schon innerlich für einen Vortrag im Stil von Das-kann-doch-nicht-dein-Ernst-sein, entweder in Bezug auf Matthias oder auf Fi-Fi.
Doch ihre Mutter fragte nur: »Wie ist er denn?«
»Nun ja …« Mels tarnte die Pause durch einen Schluck Kaffee. »Er hat viel Ähnlichkeit mit Dad.«
Ihre Mutter lächelte auf ihre sanfte Art. »Das überrascht mich nicht.«
»Er ist … tja, ich weiß nicht genau, wie ich das genau beschreiben soll. Aber er erinnert mich eben an Dad.«
»Ist er katholisch?«
»Weiß ich nicht.« Über Religion hatten sie nie gesprochen, also, außer der Sache mit der Hölle – aber jetzt, da ihre Mutter das Thema anschnitt, dachte sie, es wäre vielleicht cool, wenn er es wäre. »Ich frag ihn bald mal.«
»Was macht er beruflich?«
»Das ist kompliziert.« Du lieber Himmel, hatte er überhaupt einen Job?
»Ist er nett zu dir?«
»Oh, ja. Sehr. Er ist … ein guter Mann.« Der unter Umständen einen totalen Sockenschuss hatte. »Er kümmert sich um mich.«
»Das ist wichtig. Dein Vater … hat sich immer um dich und mich gekümmert …«
»Das mit gestern Nacht tut mir ehrlich leid.«
Ihre Mutter legte die Hand um die warme Kaffeetasse und starrte ins Leere. »Ich finde es wunderbar, dass du jemanden gefunden hast. Und dass du heute Morgen heil nach Hause gekommen bist.«
Ach Mist, daran hatte sie noch gar nicht gedacht: Dass ihre Mutter nicht nur auf sie gewartet, sondern sich sehr wahrscheinlich an jene Nacht erinnert hatte, als die Polizisten des Caldwell Police Department an ihrer Tür geklingelt hatten.
»Darf ich dich mal etwas über Dad fragen?«, meinte Mels unvermittelt.
»Klar.«
Oh Mann, sie konnte nicht fassen, dass sie das tat. »Hat er dich gut behandelt? Denn er war viel weg, oder? Arbeiten.«
Ruckartig wandte ihre Mutter ihr den Blick zu. »Dein Vater hat sich sehr für diese Stadt eingesetzt. Sein Job hat ihm alles bedeutet.«
»Aber was war mit dir? Wo bist du dabei geblieben?«
»Ach, du kennst mich, ich lege keinen gesteigerten Wert darauf, im Mittelpunkt zu stehen. Möchtest du noch Kaffee?«
»Nein, danke.«
Ihre Mutter stand auf und spülte das ungegessene Müsli aus der Schale in den Abfluss. »Also, noch mal zu deinem geheimnisvollen Mann. Sagst du mir seinen Namen?«
»Matthias.«
»Ein schöner Name.«
»Er hat sein Gedächtnis verloren. Viel mehr als das kann er mir nicht sagen.«
Augenbrauen wurden hochgezogen, aber es gab keine Kritik, kein Äußern von Bedenken, keinen Tadel. Nur ruhige Akzeptanz. »Er wird von einem guten Arzt behandelt, hoffe ich?«
»Ja, er war in der Notaufnahme. Und es geht ihm so weit gut, die Erinnerung kehrt zurück.«
»Wohnt er hier in Caldwell?«
»Im Moment schon.« Mels räusperte sich. »Weißt du, ich würde ihn dir gern vorstellen.«
Ihre Mutter erstarrte am Spülbecken. Dann blinzelte sie rasch, als fiele es ihr schwer, die Fassung zu bewahren. »Das wäre … schön.«
Mels nickte, obwohl sie keine Ahnung hatte, ob das überhaupt möglich war. Aber sie hatte ihrer Mutter stets so wenig gegeben, und im Augenblick war Matthias das Größte in ihrem Leben, zumindest sah es danach aus.
Also schien es angemessen, sich in Bezug auf ihn zu öffnen.
Obwohl sich diese ganze plötzliche Mitteilsamkeit komisch und ungewohnt anfühlte … das zwischenmenschliche Äquivalent einer Zahnspange oder der Fahrschule.
Wichtiger noch, bis zu diesem Moment, zu diesem Morgen, in dieser Küche war Mels nicht bewusst gewesen, dass sie trotz ihres Alters noch nicht erwachsen war. Nicht richtig. Nach dem Tod ihres Vaters hatte sie sich in vielen Aspekten aus dem Leben ausgeklinkt, ihre Gefühle hatten sich zurückentwickelt und waren unter Karrierezielen begraben worden, die sich zu einer anhaltenden Unzufriedenheit mit allem verwandelt hatten.
Matthias hatte sie aufgerüttelt.
Sie aufgeweckt.
Und ihr gefiel nicht, was sie auf dem Gesicht ihrer Mutter sah.
»Ja«,
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