Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
Ausdruck seines Argwohns gegenüber der First National. Ich bin da anders. Ich habe Daueraufträge für alles, von der Autoversicherung über die Stromrechung bis hin zur Haftpflicht. Meine Konten sind online verknüpft, und einmal pro Woche überprüfe ich, ob alles in Ordnung ist. Spart Briefmarken, Papierkram und Gänge zum Briefkasten. Viel effizienter.«
Mels war überrascht – aber mal ehrlich. Ihre Mutter war ja kein Kind mehr. »Was ist mit … beispielsweise der Gartenpflege? Früher hat Dad den Rasen gemäht, wer macht das denn jetzt?«
»Unmittelbar nach seinem Tod habe ich die Nachbarinnen gefragt, wie sie das handhaben. Manche lassen ihre Männer oder Kinder auf den Garten los, was bei mir aber ja nicht ging. Dann habe ich es selbst ein paarmal übernommen, aber es war derart viel Arbeit, dass ich es besser fand, jemanden dafür zu bezahlen. Ich habe mich dann für einen professionellen Gärtner entschieden, weil ich mir nicht jede Woche Gedanken machen wollte, ob es erledigt wird, außerdem räumt der auch im Frühling und im Herbst jeweils einmal richtig auf. Mels, gibt es etwas, das dir Sorgen macht?«
»Offen gestanden ja.« Sie strich wieder über den Tisch, fuhr mit der Handfläche über den Platz, an dem ihr Vater sich auf seine Art um alles gekümmert hatte. »Ich, äh, was mir Gedanken macht, ist, dass ich die letzten Jahre versucht habe, Dad für dich zu ersetzen, und nicht nur hat das nicht geklappt, sondern ich war auch nicht einmal eine große Hilfe. Dabei kannst du ganz gut für dich selbst sorgen.«
Es folgte ein langes Schweigen. »Weißt du, ich habe mich gefragt«, sagte ihre Mutter schließlich leise, »warum du geblieben bist. Du warst so unglücklich, und es war unübersehbar, dass du wütend auf mich warst.«
»Was überhaupt nichts mit dir zu tun hatte, sondern mein eigenes Problem war, voll und ganz.« Mels trommelte auf den Tisch. »Es ist nur … er hätte gewollt, dass ich mich um dich kümmere. Oder jemand anderes.«
»So war er eben.« Sie schüttelte langsam den Kopf. »Er war immer altmodisch, ein typischer Mann mit sehr traditionellen Werten. Ich habe ihn geliebt, also habe ich mich von ihm so lieben lassen, wie er es für richtig hielt.«
»Aber du brauchtest das nicht, oder?«
»Ich brauchte ihn. Ich war sehr glücklich mit ihm.« Ein trauriger Schimmer trat in ihre Augen. »Er war der Typ Mann, der immer das Heft in der Hand haben musste, und ich war jung, als ich ihn geheiratet und dich bekommen habe. Aber ich bin trotzdem erwachsen geworden.«
»Hat das … Probleme verursacht?« Hilfe, das klang so per sönlich.
Ihre Mutter schwieg lange. »Ich habe ihn geliebt und er mich, im Endeffekt konnte nichts daran etwas ändern.«
»Es tut mir leid.«
»Was?«
»Dass er gestorben ist und dich allein gelassen hat.«
»Ich bin nicht allein. Ich habe jetzt ein erfülltes Leben mit Freunden und Dingen, die ich gerne tue. Und was mir bei dir die größten Sorgen macht, ist, dass das bei dir nicht der Fall zu sein scheint. Du bist jetzt in dem Alter, in dem du tun kannst, was du willst, erreichen kannst, was du möchtest, deinen eigenen Weg wählen kannst. Genau das habe ich damals getan, als ich deinen Vater heiratete, und ich bin so froh, nicht gezögert zu haben, denn er und ich wurden um dreißig weitere gemeinsame Jahre betrogen. Dir wünsche ich, dass du genauso glücklich wirst – mit wem oder was auch immer du liebst.«
Tränen brannten in ihren Augen. »Ich weiß nicht, warum ich das alles jetzt erst begreife. Ich bin Journalistin, da möchte man doch meinen, dass ich meinem eigenen Leben auf den Grund gehen kann.«
»Es ist eben nicht immer so leicht und eindeutig.« Ihre Mutter legte eine Hand auf die von Mels. »Die letzten Jahre waren wirklich schwer. Aber ich richte mir meinen eigenen Platz in dieser Welt ein, und du solltest dasselbe tun.«
»Du hast ja so recht.« Mels wischte sich die Wangen ab und lachte kurz auf. »Weißt du, woran ich in den letzten Monaten gearbeitet habe?«
»Erzähl.«
»An einem Artikel über Vermisste. Aber ich habe immer noch nichts Vernünftiges herausgefunden, trotz Stunden um Stunden am Schreibtisch, in denen ich Statistiken gelesen, Informanten aufgetrieben, alles durchleuchtet und noch einmal durchleuchtet habe. Ich bin der Wahrheit nicht näher als jeder andere Journalist.«
»Vielleicht findest du die Antworten mit der Zeit noch?«
Mels sah ihrer Mutter in die Augen. »Ich glaube, ich hätte stattdessen
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