Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
deswegen – entstand eher der Eindruck von Bordell als von Businessclass. Der Versuch, wie ein Four Seasons daherzukommen, aber ohne den nötigen Sinn für echten Stil.
»Ich dachte immer, der Laden versucht wie das Waldorf Astoria zu sein«, sagte Mels, als sie den Aufzugknopf drückte. »Aber das hier ist eben Caldwell, nicht Manhattan.«
»Komisch, das habe ich auch gerade gedacht.«
»Das klingt jetzt ein bisschen gemein, aber ich bin nicht von hier.«
»Kommen Sie aus New York?«
»Na ja, geboren bin ich hier, aber dort gehöre ich hin. Ich warte nur darauf zurückzuziehen.«
»Was hält Sie in Caldwell?«
»Alles. Nichts.« Sie sah ihn von der Seite an. »Auf eine merkwürdige Art beneide ich Sie um Ihren Gedächtnisverlust.«
»Würde ich an Ihrer Stelle nicht.«
Ja, das wünschte er sich wirklich nicht für sie, und nicht, weil er ein Gentleman war. Sondern er hätte getötet, um mehr über sie zu erfahren, über ihre Eltern, wo sie aufgewachsen war, alles, was sie zu diesem stillen, zerbrechlichen Augenblick geführt hatte.
»Mels …«
Noch ehe er die erste Frage stellen konnte, gesellte sich eine Familie zu ihnen vor den Aufzug. Die Töchter rannten herum, die Eltern sahen aus, als wären sie in einer Hölle gefangen, die nach Kaugummi roch und von kleinen Dämonen in Prinzessinnenkostüm bevölkert war, die alle drei Minuten um ein Eis bettelten.
Ding!
Die Tür öffnete sich, und Matthias legte seine Hand auf Mels’ Rücken und führte sie in den Lift. Am liebsten hätte er die Berührung nie beendet, aber er ließ den Arm sinken und ertrug die Blicke der Kinder.
Oben, im Erdgeschoss hatte sich der Tumult inzwischen von der Auffahrt in die Hauptlobby verlagert, eine Menschenschlange wand sich zwischen zwei Samtseilen zur Rezeption, bewacht von einem Oberpagen.
»Das ist ein Albtraum«, murmelte Matthias.
»Könnte schlimmer sein. Schon mal vom Motel 6 gehört?«
»Auch wieder wahr.«
Als sie endlich an der Reihe waren, nannte er seinen Namen, ohne sicher zu sein, was das bringen würde. Normalerweise musste man die Kreditkarte vorweisen, mit der man die Buchung vorgenommen hatte, um ein Zimmer …
»Ah, ja, Mr. Hault, Sie sind bereits eingecheckt.« Die Frau tippte rasend schnell auf der Tastatur herum. »Ich bräuchte nur noch Ihren Ausweis, bitte.«
Matthias sah sich in der Lobby um. Wie zum Teufel hatte Heron es geschafft, mit seiner Kreditkarte herzukommen und das zu erledigen? Es war viel Verkehr gewesen, aber auf der Strecke, die er und Mels gefahren waren, so viel nun auch wieder nicht, da hätte der Bursche schon einen Helikopter aus dem Ärmel zaubern müssen.
Und die Kreditkarte … war es Herons eigene gewesen? Der Blödmann sollte doch eigentlich tot sein, also fragte er sich unweigerlich, ob das Etablissement die Rechnung auf den Friedhof schicken wollte. Andererseits waren Kreditkartennummern so leicht zu beschaffen wie Stadtbüchereiausweise, wenn man die richtigen Leute kannte – und Herons Mitbewohner sah absolut so aus, als wäre der Zugang zum Schwarzmarkt ein Kinderspiel für ihn.
»Mr. Hault? Ihr Führerschein?«
»Entschuldigung, ja.«
Als er der Frau seinen Ausweis reichte, lächelte sie ihn professionell und ungefähr so mitfühlend wie eine Fußmatte an. »Also, hier sind Ihre Schlüssel. Nehmen Sie den Aufzug dort in den sechsten Stock. Sie sind in Zimmer …«
Nicht sechs sechsundsechzig , dachte er ohne erfindlichen Grund.
»… sechs zweiundvierzig. Möchten Sie Hilfe mit Ihrem Gepäck?«
»Nein, das ist nicht nötig. Danke.«
»Schönen Aufenthalt bei uns.«
Auf dem Weg zum Lift inspizierte Matthias die komplette Lobby, ohne auch nur den Kopf zu drehen. Die Menschen, die herumliefen, waren nichts Besonderes … nur Normalos, die Koffer hinter sich herzogen oder mit dem Handy telefonierten oder mit ihren Fraue n / Männer n / Partnern stritten. Niemand beachtete ihn, und genau deshalb waren öffentliche Orte manchmal der sicherste Platz, wenn man sich verstecken wollte.
Trotzdem war er froh, Jims Waffe bei sich zu haben.
Das Warten auf die zweite Aufzugtour dauerte länger als beim ersten Mal, und als das Ding endlich kam, trat Mels vor, genau wie ein anderes Paar.
Er berührte sie am Arm und zog sie sanft zurück. »Wir nehmen den nächsten.«
Die Türen schlossen sich, und sie sah ihn fragend an. »Platzangst?«
»Genau. So ist es.«
Dieses Mal ließ er die Hand etwas länger verweilen. Er stand hinter ihr. Obwohl sie alles andere als
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