Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
bewegte sich.
Also wandte er sich, vor sich hin brummelnd, erneut der Leiche zu und zog das Oberteil hoch. In der schusssicheren Weste steckte eine Kugel, also hatten er und Jim ihr Blei nicht völlig umsonst verballert. Kein Handy. Und vorausgesetzt Jim spazierte jetzt nicht in einen Kugelhagel, würde sich vermutlich herausstellen, dass draußen keine Verstärkung auf diesen Soldaten wartete.
Matthias setzte sich auf die Fersen und inspizierte die Metalltür. In der Mitte war ein versengtes Loch, wo der inzwischen tote Angreifer das Schloss aufgesprengt hatte …
Urplötzlich sah Matthias ein Bild von sich mit einer Zündkapsel, erinnerte sich an eine selbst gebastelte Bombe. Die er für sich selbst vorbereitet hatte, die Kombination von Elektronik und Sprengpotenzial war ein sorgfältiges Konstrukt, um sich selbst wegzupusten …
Jim hatte unrecht. Er hatte sich oder das, was er geworden war, nicht gehasst. Er war nur erschöpft gewesen der zu sein, der er war.
Und das war …
Der Kopfschmerz kam plötzlich und heftig, als hätte sein Gehirn einen Muskelkrampf, und das Stechen fegte seinen Kopf völlig leer und blockierte jede Erinnerung.
Mist, er wollte Zugang zu dem, was verborgen lag, aber er konnte sich nicht leisten, hier wehrlos festzusitzen.
Mit Gewalt schob er alle Gedanken an seine Amnesie beiseite und betrachtete das Gesicht des Toten. Die Haut veränderte langsam ihre Farbe, wechselte vom kräftigen Rot aufgrund der körperlichen Anstrengung der Jagd zu einem trüben Grau. Um sich wieder in der Realität zu verankern, konzentrierte Matthias sich einzig und allein auf den Sterbeprozess.
»Kenne ich dich?«, fragte er die Leiche.
Einerseits war er davon überzeugt. Das Gesicht gehörte einem jungen weißen Mann, schlank wegen mangelnden Körperfetts, blass wegen mangelnder Sonne, als wäre er an Nachtarbeit gewöhnt. Andererseits – wie viele Millionen von weißen Mittzwanzigern gab es da draußen?
Trotzdem, dachte er, diesen Jungen kannte er irgendwoher.
Ja, er hatte sogar das Gefühl, den Mistkerl ausgewählt zu haben.
Hatte er rekrutiert? Für die Armee?
Jim kam zurück in den Flur, schloss die Tür und lehnte sich dagegen, die Arme vor der Brust verschränkt und mit einer Miene, als hätte er gern gegen eine Wand geboxt.
»Können wir los?«, wollte Matthias wissen.
»Im Prinzip schon.«
Da bemerkte er die Löcher in Herons Shirt. »Gut, dass du auch eine Weste anhast.«
»Was?«
Matthias runzelte die Stirn. »Du wurdest doch getroffen …«
Ohne Vorwarnung brachte sein Gehirn ein weiteres Erinnerungsbröckchen an die Oberfläche: Er sah sie beide in einem Raum voller Edelstahl, zwischen sich eine kalte Leiche auf einem Tisch, eine erhobene Waffe, die abgefeuert wurde … auf Heron. Von ihm selbst.
»Ich hab in einer Leichenhalle auf dich geschossen«, sagte Matthias kaum hörbar. »Direkt in die Brust.«
Zwanzig
Super Timing, dachte Jim. Matthias starrte ihn an, als hätte er ein Horn auf der Stirn.
Das hier war ein beschissener Moment, um sein Gedächtnis zurückzuerlangen: Es war eindeutig jemand von den X-Ops auf Matthias’ Fersen. Das war die einzig logische Erklärung – aber nicht das, was ihn im Moment völlig von den Socken holte.
Devina hatte ihnen ganz offensichtlich den Arsch gerettet.
Sie war gekommen, hatte ihr Messerchen gezückt und war wieder gegangen. Und da die Dämonin niemals etwas tat, von dem sie nicht profitierte, musste er sich fragen, welche Rolle genau dieses Attentat in ihrer beider Wettstreit spielte. Vielleicht keine – denn wenn Devina Matthias an seinem Scheideweg beeinflussen wollte, brauchte sie ihn selbstverständlich lebendig, wann immer es so weit war.
Und Jim hatte seine Aufgabe, ihn zu beschützen, nicht gerade mit Bravour erledigt – das war eindeutig.
»Ich hab auf dich geschossen …«, wiederholte Matthias.
Jim sah ihn genervt an. »Willst du dafür einen Orden? Ich kann dir ja einen im Internet bestellen. Aber bevor du mir hier ganz existenziell wirst – dafür gibt es ja schließlich kugelsichere Westen, nicht wahr?«
»Du hattest keine an.« Matthias nahm die Sonnenbrille ab und kniff die Augen zusammen. »Und jetzt auch nicht.«
»Hör mal, wir stehen hier mehr oder weniger in aller Öffentlichkeit neben einer Leiche, die voller Kugeln aus unseren Waffen steckt. Findest du es echt eine gute Idee, hier rumzustehen und zu plaudern?«
»Ich kenne den da.« Matthias zeigte auf den Angreifer. »Mir fällt nur nicht ein,
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