Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
hineingesehen und …
Als der Kopfschmerz zurückkehrte, schloss sie die Augen und überlegte rasch, ob sie Aspirin in ihrer Handtasche hatte. »Warum um Himmels willen glauben Sie bloß, dass ich dem Mann weiterhelfen kann?« Doch im selben Moment dachte sie an die Verbindung zwischen ihm und ihr und wusste ganz genau, was Heron-wer-auch-immer meinte. »Ich dürfte gar nicht so wichtig für ihn sein.«
Besser gesagt, dürfte er nicht so wichtig für sie sein.
Er war bewaffnet, verdammt noch mal. Und wohnte in einem Hotel, in dem jemand ermordet worden war …
»Es ist aber so.«
Mels sah den Mann mit zusammengezogenen Augenbrauen an. »Seien Sie ehrlich zu mir. Sind Sie mir heute Abend hierhergefolgt?«
»Ja, bin ich. Ich wollte eine Gelegenheit haben, mit dir zu sprechen, war mir aber nicht sicher, wie ich mich nähern sollte, ohne dass du ausflippst.«
»Also, das haben Sie geschafft«, meinte sie trocken. »Retten Sie mir einfach schnell das Leben.«
»In dem Sinne hab ich also einen bei dir gut, richtig?«
Sie musste lachen. »Ich kann nicht fassen, dass Sie mir das unter die Nase reiben.«
»Wie schon gesagt, ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um ihn zu retten.«
»Ihn retten? Interessante Wortwahl, Mr. Heron.«
Als der Mann nichts weiter sagte, musterte sie ihn sehr, sehr lange. »Verdammt noch mal.«
»Ist das ein Ja?«
Sie drehte sich um und ging Richtung Ausgang, in der Erwartung, dass er ihr nach draußen zum Taxistand folgte. Was er auch tat.
»Sagen Sie mal, Mr. Heron – so heißen Sie doch, oder? Jim Heron.« Er gab keine Antwort, aber das war auch nicht notwendig. »Glauben Sie, dass auch aller schlechten Dinge drei sind?«
Ein Taxi rollte vor, und Heron hielt ihr die Tür auf. »Das weiß ich nicht so genau. Aber in letzter Zeit waren alle schlechten Dinge brünett.«
Leise schimpfend, quetschte Mels sich an ihm vorbei und stieg ein.
Achtundzwanzig
Matthias befand sich im Dunklen. Und zwar nicht dunkel im Sinne von »Licht aus« oder »Spaziergang auf dem Land bei Nacht«. Auch nicht im Sinne von »Augen zu und Decke über den Kopf gezogen«.
Es war die Art von Dunkelheit, die durch die Haut drang und die Hohlräume zwischen den Molekülen ausfüllte, die das eigene Fleisch in einen Dauerzustand des Verwesens versetzte, die Vergangenheit und Zukunft auslöschte, einen mit einer erstickenden, klebrigen Brühe aus Kummer und Verzweiflung umgab.
Er war nicht allein in diesem furchtbaren Gefängnis.
Nicht nur er wand sich in dem schwerelosen Raum, auch andere waren da, ihre Stimmen mischten sich mit seiner, flehentliche Bitten verließen aufgesprungene Lippen, das unaufhörliche Betteln um Gnade wogte wie der Atem eines großen Tiers. Von Zeit zu Zeit wurde ihm eine besondere Aufmerksamkeit zuteil, Ungeheuer mit Klauen und Fängen in den Mäulern bissen sich fest, zerrten und rissen an ihm. Die Wunden, die sie zufügten, heilten so schnell, wie sie beigebracht worden waren, sodass eine immer frische Leinwand für ihre nagende Kunst bereitstand.
Zeit hatte keine Bedeutung; auch nicht Alter. Und er wusste, er würde nie entkommen.
Das hier war sein gerechter Lohn.
So bezahlte er auf ewig für das Leben, das er geführt hatte: Den Platz in der Hölle hatte er sich durch seine Sünden auf der Erde erkauft, und dennoch beklagte er sich bei den anderen, mit denen er hier festsaß, über die Ungerechtigkeit. Seine Argumente waren allerdings nicht sonderlich überzeugend. Es gab wenig, was für seinen Anspruch auf Freiheit sprach; vor allem aber hörte niemand zu.
Er hatte seinen sterblichen Versuch gehabt. Er hatte sich für diesen Weg entschieden.
Aber mein Gott, hätte er nur gewusst, was ihn erwartete, dann hätte er den Drang in sich bekämpft, seine Taten umgelenkt, nicht zugelassen, dass so viele Leben ausgelöscht wurden – einschließlich seines eigenen.
Dort in der Finsternis, zusammen mit den anderen Sündern, gemartert, verzweifelt und hoffnungslos in einem Ausmaß, an das der schlimmste Albtraum nicht heranreichte, öffnete sich etwas in ihm, seine Emotionen brodelten aus der Tiefe her auf …
»Matthias?«
Mit einem Schrei wachte er auf, sein Kopf schnellte vom Kissen hoch, ein Arm schlug in die Luft, als müsse er sich gegen etwas wehren.
Aber da war niemand vor ihm. Niemand griff ihn an.
Und da war Licht.
Im trüben Schein, der aus dem Badezimmer fiel, stand Mels … seine wunderschöne Mels am Fuße des Betts in seinem Hotelzimmer. Sie trug ihre
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