Die Beichte - Die Beichte - Dirty Secrets
wettergegerbt und grimmig, mit eingefallenen Wangen und tief liegenden Augen, hatte eine schreckliche Narbe, die um den ganzen Hals lief. Rotes, knotiges Knorpelgewebe. Das grausige Andenken an einen mörderischen Überfall.
Jo brach der Schweiß aus. Ohne die Augen von dem Foto zu wenden, schob sie sich an Tang vorbei und stürmte die Treppe hinauf.
»Hey!« Die Polizistin jagte ihr nach.
»Schnell«, keuchte Jo. »Dieses Gesicht hab ich schon mal gesehen.«
»Wo?«
Sie rief die Antwort über die Schulter, doch ihre Worte gingen im Schrillen des Feueralarms unter.
Jo wuchtete die Brandtür auf und stürzte zusammen mit Tang in die Intensivstation. Der Alarm kreischte. An der Wand zuckte rot das Notsignallicht. Im Korridor vor Geli Meyers Zimmer drängten sich die Krankenschwestern.
Die mütterliche Schwester sprühte mit einem Feuerlöscher durch eine Tür. Weiße Kohlendioxidschwaden erfüllten die Luft. Jo roch Rauch und Benzin.
»O Gott …«
»Was ist passiert?«, rief Tang.
Die junge Schwester streckte die Arme aus. »Zurück.«
Jo hielt ihr ihren Krankenhausausweis hin. Tang zückte ihre Dienstmarke. Daraufhin deutete die Schwester durch den Gang. »Da. Er ist da langgelaufen.«
»Wer?«, fragte Tang.
»Der Raumpfleger. Der den Molotowcocktail geworfen hat.«
»Scheiße.« Tang zog ihre Waffe. »Ausgänge?«
»Überall. Der Korridor führt zu anderen Stationen, und es gibt auch noch die Treppe …«
Tang rannte los. »Holen Sie den Sicherheitsdienst. Ich rufe Verstärkung.«
Jo schob sich durch das Gewühl. Die Schwester mit dem Feuerlöscher arbeitete sich allmählich in das brennende Krankenzimmer vor. Im Korridor fiel Jo ein einsamer Mopp mit Eimer auf.
»Was ist mit der Patientin?«
»Niemand wurde verletzt. Das Zimmer ist leer.«
Erst jetzt bemerkte Jo, dass der Qualm aus dem Zimmer neben dem Gelis drang. Mit pochendem Kopf öffnete sie die nächste Tür. Das Bett war leer.
»Wo ist Geli?«
»Im Wartebereich. Wir haben sie schnell rübergeschafft, damit ihr nichts passieren kann.«
Die andere Schwester trat hustend heraus. »Das Feuer ist aus.« An ihrer Hand baumelte die rote Flasche. »Wie ist der Kerl hier überhaupt reingekommen?«
Die junge Pflegerin wandte sich an Jo. »Der Typ hat sich vor Gelis Zimmer rumgetrieben. Ich habe ihn nicht gekannt und ihn nach seinem Ausweis gefragt. Da hat er eine Flasche rausgezogen, sie angezündet und sie in das leere Zimmer geschleudert. Dann ist er abgehauen.«
Jo trat zum Schrank in Meyers Zimmer und griff nach der Handtasche des Mädchens. Dann ging sie hinüber in den Wartebereich. Geli hockte zusammengekauert auf einem Sofa, ihr Tropf hing an einem Gestell neben ihr. Sie war in eine Decke gehüllt und hielt ihre Knie mit weißen Fingerknöcheln umschlungen. Als sie Jo erblickte, wirkte sie erleichtert und erschrocken zugleich.
Jo setzte sich, öffnete die Handtasche und kippte ihren Inhalt auf das Sofa.
»Hey«, flüsterte die junge Frau.
»Sie sollten lieber den Mund aufmachen, und zwar sofort.« Jo klappte Meyers Brieftasche auf. Sie zog das Foto heraus. Der Kansas-Farmer mit dem Reservoir Dogs -Lächeln und der silbernen Pokerchip-Gürtelschnalle. Mr. Tarantino Gothic.
Sie verglich das Foto mit der Teleobjektivaufnahme auf Tangs Organizer. Die Bilder zeigten den Mann vorher und nachher.
Es war Pray.
Noch immer lärmte der Feueralarm wie ein Presslufthammer. Jo hielt das Bild hoch. »Wer ist das, Geli?«
»Das?«
»Erzählen Sie mir bitte nicht, das Foto war schon in der Brieftasche.« Sie zeigte ihr Tangs Organizer. »Diese Aufnahme wurde gemacht, nachdem man ihn fast zu Tode stranguliert hatte.«
Meyer zog sich die Decke bis hoch zum Kinn. »Sie können mich nicht zwingen, mit Ihnen zu reden.«
»Nein, ich bin kein Cop. Ich bin nicht mal Ihre Mom. Ich bin nur eine Psychiaterin. Und diejenige, zu der Sie gesagt haben, dass Schluss sein muss.«
Vergeblich versuchte das Mädchen, ihrem Blick zu trotzen.
»Geli, Skunk hat heute schon wieder eine Frau umgebracht. Mit einem Molotowcocktail. Es war grauenvoll.«
Meyer starrte auf ihre Knie. Sie reagierte nicht auf Skunks Namen, doch in ihren Augen flackerte es.
»Ich weiß, dass Skunk für Pray arbeitet. Vielleicht sollten Sie also mal zwei und zwei zusammenzählen. Ihr Freund will Sie aus dem Weg räumen.«
Alles Blut wich aus dem Gesicht der jungen Frau. Jo kannte diesen Gesichtsausdruck. Sie kannte ihn von Leuten, die mit aller Kraft etwas verleugneten - von
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