Die beiden Seiten der Münze (German Edition)
sollte.
Er führte Lynn in sein Büro am Ende des Ganges. Der Raum war spartanisch eingerichtet, ein Schreibtisch mit einer alten grünen Schreibtischunterlage, ein Lederdrehstuhl, der schon bessere Tage gesehen hatte und ein Besuchersessel aus Stahlrohr mit einem braunen Plastikbezug. An der Wand befand sich ein grauer Stahlaktenschrank und in der Ecke des Raumes neben dem Fenster eine ziemlich mitgenommen aussehende, verstaubte Yucca.
Der Inspektor deutete auf den Besuchersessel bevor er sich setzte. Er musste sich förmlich zwischen die Armlehnen seines Stuhls quetschen und Lynn fragte sich, ob er ohne fremde Hilfe imstande wäre, wieder aufzustehen.
„Danke, dass Sie sich so schnell Zeit genommen haben“ eröffnete er das Gespräch. „Warum sollte ich denn überhaupt herkommen? Es geht um meinen Ex-Mann?“ Lynn war unsicher, was auf sie zukam. Was hatte Martin über sie erzählt? „Was will er denn und was hat die Polizei damit zu tun?“
„Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass man Ihren Exmann Martin Aigner tot in seiner Wohnung aufgefunden hat.“ Der Inspektor beobachtete ihre Reaktion. Lynn brauchte ein paar Sekunden bis sie begriffen hatte, was er gesagt hatte. „Tot? Was heißt tot? Ich habe doch gestern noch mit ihm telefoniert!“ rief sie. Inspektor Vanek räusperte sich und blätterte in der Akte, die vor ihm lag. „Es sieht so aus als ob er ermordet wurde. Er wurde mit aufgerissener Kehle von seiner Lebensgefährtin gefunden.“
„Aufgerissene Kehle?“ Lynn klang wie das Echo des Inspektors.
„Ja, schreckliche Art zu sterben. Man hat ihm den Hals nicht mit einem scharfen Gegenstand wie zum Beispiel einem Skalpell oder einem scharfen Messer durchgeschnitten. Es muss irgendetwas eher Stumpfes gewesen sein, sehr unüblich für einen Mord, wenn ich das mal so sagen darf. Wann genau haben Sie mit ihm telefoniert?“
Lynn war sich nicht sicher. „Es war irgendwann am Nachmittag. Ich war vorher bei...“ dem Inspektor schien Lynn's kurzes Zögern nicht zu entgehen „bei einem Arzt“ erklärte sie „und danach bei meiner Mutter zum Abendessen.“
„Worüber haben Sie gesprochen?“ Die Beantwortung dieser Frage war Lynn unangenehm. „Es war nicht gerade ein freundschaftliches Gespräch“ gab sie zu. „Wir haben seit unserer Scheidung über finanzielle Angelegenheiten gestritten und er hat mir mitgeteilt, dass sein Anwalt eine Möglichkeit gefunden hat, das alles in seinem Sinne zu regeln. Dann hat er mich noch ein wenig beschimpft und ich habe aufgelegt. Das war alles.“
Inspektor Vanek neigte den Kopf und sah sie an: „Das bedeutet, dass Ihnen sein Tod gerade jetzt nicht ungelegen kommt, oder?“
Lynn war entsetzt. „Gelegen? Der Tod eines Menschen kommt nie gelegen, ganz egal, ob man denjenigen mag oder nicht. Martin war eine unerträgliche Nervensäge, wir kamen überhaupt nicht gut miteinander aus. Aber deshalb ist der Mord an jemandem doch noch kein Glücksfall!“
„Nennen wir es mal eine interessante zeitliche Übereinstimmung.“ Der Inspektor klang noch immer höflich aber Lynn ahnte langsam worauf er hinaus wollte. „Wie Sie meinen.“ Ihr Tonfall wurde zusehends frostiger. „Ich weiß nichts über sein Ableben und kann Ihnen deshalb bedauerlicherweise nicht weiterhelfen.“
„Na gut, da kann man nichts machen.“ Sein Tonfall klang einlenkend. „Sind Sie erreichbar, falls wir noch Fragen haben sollten?“ Das war zwar als Frage formuliert, Lynn hatte jedoch das Gefühl, dass es eine höflich verpackte Anweisung war, sich nicht außer Reichweite zu begeben. „Natürlich“ erwiderte sie steif und verabschiedete sich.
Als Lynn wieder draußen auf der Straße war, wurde ihr schwindelig. Sie fing erst jetzt wirklich an zu begreifen, dass Martin wirklich tot war. Nicht irgendein natürlicher Tod, der auch bedauerlich gewesen wäre, sondern Mord. Sie war noch nie mit einem gewaltsamen Tod konfrontiert worden. Das hatte sie Martin nicht gewünscht, nicht so. Ihr fiel mit einem ziemlich schlechten Gewissen ein, daß sie vor kurzem noch gedacht hatte, es wäre das Beste, wenn er einfach tot umfiele. Wer konnte schon ahnen, dass das tatsächlich passieren würde?
Unsicher, ob und wen sie über Martin's Tod informieren sollte, ging sie nach Hause. Lynn war völlig verwirrt und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Vor ihrer Haustür wartete Cedric auf sie.
„Schön, dass du da bist.“ begrüßte
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