Die Belagerung der Welt - Romanjahre
Fusion im Verliebtsein. Und müÃte wohl mit dem Kinderkriegen enden oder doch, wenn nichts dazwischenkommt, sich so bekrönen, so der Verlauf der Dinge, so das alte Spiel, weil die Natur es so will. Auch ich habe es gekannt, nicht nur damals, als ich selber kaum über 20 war und im selben Zustand, sondern sogar viel später noch. Noch mehr Nähe, nie nie auslassen.
Zurück aus Rom
Gestern, Sonntagvormittag, mit Hans Christoph von Tavel im Institut zu einem Abschiedsblick auf den Turm des Palazzo Maraini gestiegen und bei herrlich sonnigem Licht die Stadt eingeatmet wie damals vor 40 Jahren. Sie lag ausgebreitet mit all den lagernden Leibern und Kuppeln in diesem Licht, Römerlicht, Meereslicht. Und in diesem Licht, in dieser lichten Bläue lag alles ausgebreitet in den ockrigen Tönen, in einer leichten Leibhaftigkeit, bröcklig leicht wie Tongefäà und ebenso inschriftlich klar, gleichzeitig ockrige Gravur und dreidimensionale Plastizität und keine Spur von Schummrigkeit, es war antikische Klarheit, Frühzeit und Vollendung, ganz Hiersein und ganz Entrückung, und es lag ein Hallen oder Klingen in dieser Leiberstadt, etwas vom offenen Markt des Lebens, das Licht bis zur Erde reichend, es war Form und nicht Impression. Ja, und wenn man darin ist, muà man den scharfen Schatten mitdenken wie auf einem Bild von de Chirico, einen harten Schlagschatten wie von der Sonnenuhr. Und mitdenken muà man die paar Palmen und anderen gestalthaften grünen Pflanzen zum Mauerstein und ein frühzeitliches Glücksgefühl. Und ich stand neben von Tavel, mit dem mich die gemeinsame Studienzeit in Bern verbindet, auf dem Turm und diesem Licht und schaute â ja, wohin eigentlich? In mein Leben von damals? In dieses Anfangslicht? In jene brennend junge Lebenserwartung, der schon wie ein Schlagschatten auf der Sonnenuhr die Grenze gezogen war? In einen hellsichtigen Traum?
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Erinnere mich, wie sehr mich das Aufkommen der Popkultur inklusive Hippies und Flower Power und der darauffolgenden 68er-Bewegung nicht nur geschockt, sondern wie eine persönliche Attacke auf meinen Lebensentwurf getroffen hat. Es war in London 1967, und es hat mit meinem Selbstverständnis als Künstler zu tun.
Künstler als Einzelgänger und als Randerscheinung der bürgerlichen Gesellschaft. Es gehörte ein gewisser Aristokratismus in dieses Bild, denn zu meinem Künstler paÃte durchaus die geistige Verankerung in den besten kulturellen Latifundien und Traditionen und ein dazugehöriger Ãsthetizismus. Es käme in meinem Falle insbesondere das AuÃenseiterbild Robert Walsers in Frage. Diese Abfärbung. Das Antibürgerliche gehört hochrangig zu diesem Status, aber ebenso die Abgrenzung gegen das Proletarische. Mein Künstler war jedenfalls kein Barbar, er durfte arm sein wie Walser und van Gogh, doch war er überragend an geistigen Kräften und Gaben, auch als Verkörperung des Besten an kultureller Inkarnation. Er war ein selbsternannter Regent, gehorchte eigenen Gesetzen, und er war ein Kämpfer wie ein Thomas Wolfe oder Hemingway, auch ein unbürgerlicher, nur sich selbst verantwortlicher Abenteurer. Rimbaud? Das AuÃenseitertum ein Adelstitel. Seine Verbündeten waren die Gauner und Prostituierten, und hier schillert das Bild in die Zonen von Henry Miller und James Joyce hinüber, mein Künstler war ja im Grunde ein Revolutionär. Nur das Normalverbrauchertum lieferte die Feinde; und natürlich die verknöcherten scheinheiligen verlogenen und lebensfeindlichen Konservativen, die Statthalter und Verteidiger des schal gewordenen Besitzbürgertums.
Und nun verwandelte sich gewissermaÃen über Nacht via Jugendbewegung und Popkultur das ganze gesellschaftliche Bild, und was gestern noch als halbdebiler Lümmel durch die StraÃen getrottelt war, lief nun als bärtiger struppiger
Hippie und Anarchist und Popartist und liebestoller, alle Regeln des Anstands verhöhnender Revolutionär und Antivietnamheld und Beatle durch die Gegend, das Losungswort war schöpferisch, ein jeder schöpferisch, ein jeder ein Künstler und Kämpfer, eine karnevalsreife Fauna von Verkleideten und Aufmüpfigen, verbrüdert, in den Parolen und Melodien der Popsänger Zuckenden, eine Welt potentieller Barrikadenkämpfer beherrschte die Szene, alle freiheitstrunken, dichtend und kunstend, nun war diese Jugend an der Macht. Und das
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