Die Belagerung der Welt - Romanjahre
der Himmel flieÃt vorbei und ab, und der Tag ist jung, und ich habe Lust auf einfach alles.
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Ich frage mich zum x-ten Mal, warum man diese Aggression entwickelt gegen (schwarze) Leute, die doch an sich überhaupt nicht aggressiv sind, bloà daà sie einen mit ihrem Anderssein einkreisen und einkesseln.
Man sieht sie im sperrangelweit offenen Fenster in ihren Nationaltrachten, diesen farbenfrohen Tüchern, hocken, als hockten sie um ein Feuerchen, sie haben gewià kaum Möbel, bloà den Telephon- und Fernsehapparat, nun, warum auch nicht, aber nun quatschen sie mit ihren gutturalen Stimmen, diesen überschwappenden, auch kreischenden Stimmen, überlaut und endlos. Man hat den Eindruck, es werden unaufhörlich die simpelsten Feststellungen immerzu wiederholt oder variiert. Möglicherweise folgt es einer Etikette. Dann waschen die Frauen tagein tagaus ihre meterlangen Tücher, die sie zum Trocknen in den Hof hängen, die Tücher bedecken die unteren Fenster und tropfen und tropfen. Die machen alles kaputt, denkt man.
Natürlich denkt man längst in Rassendiskriminierung, allein das reine Charakterisieren, wie ich es jetzt mache, ist Rassismus, was mir klar ist und nicht eben zu meiner Zufriedenheit beiträgt.
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Im Treppenhaus kein Licht, weil die Arbeiten stagnieren: Die Hausverwaltung konnte das nötige Geld der (vielfach abwesenden, wenn nicht verschollenen) Wohnungsbesitzer nicht eintreiben, konnte also die Unternehmer nicht bezahlen. Kein Licht also und, was schlimmer ist, der Hausflur zu ebener Erde immer mit einer kotigen Lava überdeckt, weil im Keller unten der Abwasserabfluà nicht nur verstopft, sondern irgendein Siphon gebrochen ist, es handelt sich um eine gröÃere Sache, aber da war eben kein Geld vorhanden, also muÃte man buchstäblich durch ScheiÃe waten und in der ScheiÃe leben, von den Gerüchen ganz zu schweigen, ich hatte das Ganze mehr als über, ich war nicht mehr in Stimmung, ich war verzweifelt und blockiert oder doch durch das verdammte Problem des allgemeinen Untergangs so absorbiert, daà ich gelähmt war.
Sah neulich am Fernsehen einen Filmbeitrag über die illegalen Einwanderer aus Nordafrika und Schwarzafrika, was mich natürlich besonders angeht, da ich unter diesen Leuten lebe. Diese ganze illegale Einschleusung ist natürlich Menschenhandel: Die Leute aus den Hungerbreiten werden von eigentlichen Anwerbern auf den Trip in Richtung Paris gesetzt. Ganze Dörfer steuern die nötigen Moneten zusammen, damit einige Söhne und Väter weg können. Sie werden sodann ohne Papiere von anderen Antreibern durch Grenzlöcher geschleust und schlieÃlich â es geht über die spanisch-französische Grenze, und die Polizei ist an der ganzen Transaktion auch mit Bestechungsgeldern beteiligt â kommen sie hier an, ohne Papiere und Unterkünfte, der Sprache meist nicht mächtig, dunkle Männer, die teils schon von der Physis her Afrika oder irgendeine ferne keusche Exotengegend evozieren.
Es ist eine Existenz in einer neuen Wildnis, gefahrenreich und vorerst ohne die Möglichkeit der Anpassung, und ein Ãberlebenskampf ist es, vor allem ein Leben im Ghetto. Sie
sind die Opfer eines organisierten Menschenhandels, sie sind Sklaven und werden, wenn sie Glück haben, einem Sklavenhalter übergeben, wo sie zu unwahrscheinlich niedrigen Löhnen in Billigst-Schneiderateliers arbeiten oder sonstwas tun oder als StraÃenverkäufer für riesige Ringe von Importeuren tätig sind, sieben Lederhüte auf dem Kopf, Armbänder, Ledergürtel, Taschen an Armen und in Händen ⦠irgend so etwas. Und sie leben in Häusern, die immer mehr herunterkommen und natürlich nie und nimmer an WeiÃe oder Franzosen vermietet werden könnten, nur an derlei Unterprivilegierte, die ganze Wolkenkratzer tief unterhalb unseres Lebensniveaus zu leben bereit sind. Und indem sie in solchen Häusern ohne Wasser, ohne Elektrizität, ohne Hygiene etc. leben, gehen ganze StraÃen zu Bruch, es sind Bruchghettos, es ist die Rückverwandlung von Paris in etwas Fürchterliches, Brutales. Und nun blüht das Verbrechen auf, der tätliche Angriff, der Raub, Raubüberfall, es ist ja jetzt Wildnis. Alle üblen Elemente kommen auf solch kriminelle Weise »hoch«, während die anderen dahinhungern und dahinvegetieren.
Ãbrigens ist in meinem Haus auch allerlei
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