Die bessere Hälfte - warum nur Frauen die Wirtschaft nach vorn bringen
sich in eben diesen Unternehmen so festsetzen konnten? An welchem Punkt gerieten die Besten und Intelligentesten |52| auf den falschen Kurs? Wie konnte es in einem anscheinend so rationalen System, das auf quantitativer Analyse basiert und von professionellen Prognosen gerechtfertigt wird, passieren, dass vollkommen falsche Berechnungen angestellt wurden? Und warum erkannten die Unternehmen nicht, dass Boni in Höhe von 10 Millionen Dollar in Wahrheit nur die Gierigsten und Egozentrischsten zur Treue verpflichten?
Das Ausmaß der Finanzkrise, die im Jahre 2008 ausbrach, zeigt uns, dass sie nicht allein auf ein paar schwarze Schafe zurückzuführen ist. Auch ist es nicht nur eine belehrende Fabel über die Folgen menschlicher Gier. Vielmehr handelt es sich um eine Demonstration dessen, was geschehen kann, wenn eine extrem verengte Perspektive im Geschäftsleben die Vorherrschaft erlangt und ungehemmt ausgelebt wird. In vielen der Firmen, die an dem Zusammenbruch beteiligt waren, erstickte die hartnäckige Konzentration auf die Maximierung kurzfristiger Profite – was selbstgerechterweise als Steigerung des Aktionärsvermögens bezeichnet wurde – andere Anliegen, wie die Bildung einer tragfähigen Basis für die Zukunft, das Wohl der Kunden und Klienten und das Schaffen von Ressourcen für neue Sparten und Unternehmen.
In unserer eng miteinander verflochtenen globalen Wirtschaft setzte diese verengte Perspektive ungeheuer viele Unternehmen enormen Risiken aus, ein Umstand, der schon im Vorfeld für Alarmbereitschaft sorgte. Aber sogar offensichtliche Gefahren wurden von einer engstirnigen Führungsriege, die sich nur darauf konzentrierte, dass im nächsten Quartal auch die Zahlen stimmten, einfach abgetan. |53| Es war genau diese Kultur, aus der sich talentierte Frauen – Frauen, die über die richtige Ausbildung und entsprechende Erfahrung verfügten und geradewegs auf dem Weg an die Spitze zu sein schienen – schon Mitte der Neunzigerjahre zurückzuziehen begannen.
Dazu gehörten Frauen wie die Gesprächspartnerinnen von Myra Hart, die ihren MBA an Elite-Universitäten gemacht, eine Anstellung in einer angesehenen Firma angenommen und dann einen Kurswechsel vorgenommen hatten, um für Nonprofit-Organisationen zu arbeiten, weil sie feststellten, dass ihre Werte und die der Unternehmen, bei denen sie zuvor gearbeitet hatten, nicht im Einklang miteinander standen. 1 Oder es gab Frauen, wie die, die Wanda Wallace interviewt hatte, die sich nicht mehr mit den Zielen ihrer Arbeitgeber identifizieren konnten und sich danach sehnten, etwas Sinnvolles mit ihrem Leben anzufangen. 2 Das waren schlicht und ergreifend jene Frauen, die gekündigt hatten.
Wo waren die Frauen?
Es ist zum Teil auf personelle Fluktuation und Abwanderung zurückzuführen, zu einem anderen Teil aber auch auf die Hartnäckigkeit der viel zitierten »Gläsernen Decke«, warum Frauen in jenen Unternehmen, die an der Finanzkrise Anteil hatten – an der Wall Street, aber auch in London, Sydney, Reykjavik, Dublin, Genf und Dubai – in leitenden Positionen unterrepräsentiert sind. Und in den Reihen |54| hochkarätiger Börsenhändler, der Merger-und-Acquisition-Könige, der Buyout-Künstler und Hedgefondsmanager, deren Eingreifen in den Kapitalmarkt die Finanzwelt in den zehn Jahren vor dem Zusammenbruch entscheidend verändert hat, fehlen Frauen fast vollständig.
Obwohl Frauen mittlerweile in vielen Bereichen die Mehrheit der Belegschaft ausmachen und auf vielen Gebieten entsprechend besser ausgebildet und qualifiziert sind als ihre männliche Kollegen, blieben sie von den großen Finanzentscheidungen ebenso wie von den großen Spekulationsgeschäften nach wie vor ausgeschlossen. Sie machten keine Deals, die die Welt verändern. In der führenden Finanzliga spielten die Frauen meist nur die zweite Geige.
Die Abwesenheit von Frauen in den Führungsetagen der am Zusammenbruch beteiligten Firmen fiel auch der Öffentlichkeit auf. Wie der Finanzjournalist Michael Lewis im Jahre 2008 bemerkte: »Eines der charakteristischen Merkmale der Finanzkatastrophe war … wie wenig Frauen damit zu tun hatten.« 3 Die
Financial Times
sinnierte, ob ein stärkerer Input von weiblichen Vorstandsmitgliedern oder Führungskräften jene katastrophalen Überschuldungs-Spekulationen (bei denen Kredite wissentlich an Verbraucher mit geringer Bonität vergeben werden) in Teilen hätte verhindern können. Die Zeitung bemerkte, dass Island kürzlich zwei weibliche Banker
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