Die beste Welt: Roman (German Edition)
Hingabe dem Wiederaufbau der Sadiri-Kultur. Das fand ich bewundernswert.
Da die nächste Kolonie auf unserer Liste ähnlich wie die Sadiri-Kolonie in Tlaxce aus weit verstreuten Einzelanwesen bestand, hatten wir unseren Terminplan so gestaltet, dass wir zu einem ihrer Feste eintreffen würden. Für zwei Tage sollten sich die Bewohner auf einem gemeinschaftlich genutzten Gelände mit Namen »Die Große Savanne« versammeln. Ursprünglich hatten wir geplant, uns eine Weile in einer der größeren Siedlungen aufzuhalten und unseren Besuch mit dem Fest abzurunden, infolge der Verzögerung wurde die Reihenfolge nun umgekehrt.
Das Erste, was wir von der Großen Savanne erblickten, war ein langgestreckter, hoher Wall mit einem Rundbogen in der Mitte. Durch diesen Bogen führte eine gepflasterte Straße ins Innere. Wir kamen in Regierungsfahrzeugen mit einer Wagenladung voller Ausrüstung. Das Shuttle hatten wir am Außenposten zurückgelassen. Der Erdwall umschloss ein riesiges Feld mit einer Stadt aus Zelten, so bunt und vielfältig gemustert wie ein Schwarm Kinderdrachen, die nur darauf warteten, sich in die Lüfte zu erheben. Ranger waren als Ordnungshüter eingesetzt und wiesen uns einen Platz zu, wo wir unser Lager aufschlagen konnten. Wir waren kaum fünfzehn Minuten vor Ort, als wir bereits Besuch bekamen.
»Willkommen in der Großen Savanne! Habe ich die Ehre, mit der berühmten Wissenschaftlerin Dr. Qeturah Daniyel in ihrer Eigenschaft als Leiterin dieser Regierungsmission zu sprechen?«
Die Worte wurden in gemessenem, sogar würdevollem Ton vorgetragen, aber ich hörte unterdrücktes Lachen heraus. Als ich den Sprecher und sein leises Schmunzeln sah und bemerkte, wie er und Qeturah sich mit einem Auge zuzwinkerten, hatte ich sofort den Eindruck, dass die beiden sich von früher kannten. Er war eine auffallende Erscheinung, hochgewachsen und distinguiert, aber mit einem respektlosen Funkeln in den Augen, das ausgeprägte Lebensfreude verriet. Qeturah wiederum gab sich ungewöhnlich schüchtern und kokett. Was musste das für eine Begegnung gewesen sein!
»Leoval«, sagte sie. Ihre Stimme klang voller und tiefer als sonst, als sie ihm die Hand zum Kuss reichte. »Immer noch nicht zu alt für solche Scherze?«
Leoval mimte mit komischem Augenaufschlag den Gekränkten. »Qeturah! Wie kannst du mir so etwas unterstellen?«
Man machte sich miteinander bekannt. Als er sich auch über meine Hand beugte, fürchtete ich zunächst, er sei ein unverbesserlicher Frauenheld, doch als er danach mit Fergus und Lian einen Armdruck wechselte und sich feierlich vor den Sadiri verneigte und sie akzentfrei mit den passenden Floskeln in ihrer Sprache begrüßte, erkannte ich, dass ich einen vollendeten Diplomaten vor mir hatte. Und ich täuschte mich nicht. Er war Beamter im Ruhestand und hatte als einer der ersten Anthropologen die Altertumsforschung in dieser Gegend wiederaufgenommen und auf den neuesten Stand gebracht. Qeturah musste ihm versprechen, ihn zu besuchen. Sie brauche ihm nur durch einen der Ordnungshüter eine Nachricht zukommen zu lassen, dann würde er ihr eine Sänfte schicken. Gleich darauf verabschiedete er sich mit dem für ihn charakteristischen Taktgefühl und entfernte sich.
»Was für ein interessanter Mann«, bemerkte ich unschuldig.
Qeturah sah mich scharf an. »Ja«, bestätigte sie mit Entschiedenheit. »Das ist er. Und ein Gentleman. Er hat immer Mittel und Wege gefunden, mir zu helfen, ohne den gefürchteten Begriff ›Dalthi-Syndrom‹ ein einziges Mal in den Mund zu nehmen. Sein Angebot, mir eine Sänfte zu schicken – liebenswürdig wie eh und je.«
Ich zögerte, entschied mich aber, nicht hinter dem Berg zu halten. »Dalthi-Syndrom? Ist das nicht eine behandelbare Erbkrankheit?«
»Das ist richtig, aber ich halte nichts davon, an meinen eigenen Genen herumzudoktern«, antwortete Qeturah nüchtern. »Das käme mir wie Betrug vor.«
Hätte ich erfahren, der Metzger um die Ecke sei Vegetarier, ich wäre nicht überraschter gewesen.
»Außerdem«, fuhr Qeturah ungerührt fort, »hatte ich lange Zeit damit zu kämpfen, dass ich die Schwächste in der Familie war. Meine Geschwister behaupteten im Scherz, kein Siedler würde mich jemals heiraten, weil er für meine Pflege ebenso viel Arbeit aufwenden müsste wie für das Anwesen, und weil meine Kinder wohl ebenfalls Schwächlinge wären. Wenn man erst anfängt, sich selbst als minderwertig zu betrachten, baut man Mauern auf, um sich tunlichst
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