Die besten Freunde meines Lebens - Roman
entfernt, ein leerer Benzinkanister daneben. Lizzie drehte sich um, spähte zum Haus hinüber und spitzte die Ohren. Nach wie vor nur das Murmeln eines Radios, das Aufschlagen eines Balls und weiter oben an der Straße eine Mutter, die ihre Kinder zum Mittagessen hereinrief. Sonst nichts, kein Laut aus dem Inneren des Hauses. Vielleicht hatte David mit dem Mähen angefangen und dann die Lust verloren.
»Das Konzentrationsvermögen einer Stechmücke, wenn es eine Arbeit ist, die er nicht mag«, hatte Nicci immer geklagt. Da spricht die Richtige, hatte Lizzie dann jedes Mal gedacht, es aber nie ausgesprochen.
Schließlich riss sie sich aus ihrer Erstarrung und machte sich auf den Weg zum Schuppen, vergnügt die Arme schwingend und einen dummen Werbesong summend, den sie im Autoradio gehört hatte und nun nicht mehr aus dem Kopf bekam.
Genervt starrte David auf seine Pläne für einen Supermarkt, der im Außenbezirk einer Kleinstadt von Wiltshire entstehen sollte und wahrscheinlich weder benötigt wurde noch erwünscht war, als er draußen ein Klicken und das Schaben von Holz auf Metall hörte.
Bitte, lieber Gott, lass es nebenan sein, betete er stumm.
Doch gleich darauf erfolgte das unmissverständliche Klicken seiner sich schließenden Gartentür. Danach Stille. Die Stille währte neun, zehn Sekunden – gerade lang genug, um Davids Hoffnung zu nähren, es sei doch die Gartentür von nebenan gewesen –, bis dann rasche Schritte zu vernehmen waren und ein kastanienroter Lockenkopf unter seinem Bürofenster vorbeihuschte.
Scheiße . David schloss die Augen und lehnte sich in seinen Bürostuhl zurück, damit Lizzie ihn nicht bemerkte, wenn sie nach oben blickte. War es zu viel verlangt, wenn man sonntags in seinem eigenen Haus etwas Frieden haben wollte?
Es sah ganz danach aus. Wie es immer gewesen war, seit er Nicci geheiratet hatte und ihre ganze Gefolgschaft gleich mit. Und das würde sich offensichtlich auch nicht ändern. Dafür hatte Nicci mit ihren gottverdammten Briefen ja gesorgt. Erneut schloss David die Augen und atmete durch. Und noch einmal. Und noch einmal. Während Dunkelheit sich über seine Seele senkte.
Diese verfluchte Nicci. Er vermisste sie so sehr, dass er den Schmerz körperlich spürte.
Manchmal, wenn er morgens wach wurde, hatte er einen glückseligen Bruchteil einer Sekunde … Bis ihn mit aller Macht die Erkenntnis überfiel, dass sie nicht neben ihm im Bett lag. Und sein Körper sich vor Traurigkeit so heftig verkrampfte, dass es ihn erschreckte. Die meiste Zeit spürte er einen dumpfen und sehnenden Schmerz, so beständig, dass es ihm nur in den flüchtigen Momenten auffiel, wenn der Schmerz ihn verließ.
Als er die Augen öffnete und Lizzies rotes Haar sah, in dem sich funkelnd das Sonnenlicht fing, schloss er die Augen wieder.
»Warum, Nicci?«, stöhnte er leise. »Warum?«
»Idiotische Geschichte«, hatte sein Vater gesagt. »Sie kann nicht bei Sinnen gewesen sein. Ignorier die Briefe einfach.« David hätte das gern getan – oh, wie gern –, doch der Ausdruck im Gesicht seiner Mutter hatte ihm etwas anderes erzählt: Dass sie das Gefühl hatte, sie alle seien irgendwie, wenn nicht moralisch, so doch emotional an Niccis Letzten Willen gebunden. Und jetzt gab Jo die Teilzeit-Mama für seine Töchter, Lizzie stapfte unangemeldet in seinem Garten herum und Mona …
Laut aufstöhnend strich sich David durch das Haar. Was, zum Teufel, sollte er wegen Mona unternehmen? Ihre Hintergedanken waren ihm keineswegs fremd. Perverserweise verstand er sie. Schließlich hatte auch er diese Gedanken gehabt. Mona hatte niemanden. Er hatte niemanden. Beide liebten sie Dan. Beziehungen waren schon auf dünnerem Fundament aufgebaut worden. Und wenn er sich in seinem leeren Haus umsah und die Stille spürte, war die Vorstellung unerträglich, es könnte immer so bleiben. Dass er einsam vor sich hinlebte und zusah, wie seine Mädchen heranwuchsen. Gleichzeitig war es ihm unvorstellbar, mit jemand anderem hier zu leben.
David lenkte seine Gedanken wieder auf die Frau, die sich in seinem Garten häuslich eingerichtet hatte. Das war einzig und allein seine Schuld. Er hätte Nein sagen können. Niemand zwang ihn mehr zu diesem »Mein Haus ist dein Haus«-Scheiß.
Unten inspizierte Lizzie den Rasenmäher, stand eine Weile reglos davor und drehte sich dann zum Haus um. Einen Mo ment schien sie direkt in sein Arbeitszimmer zu blicken, und sofort ging David auf Tauchstation. Mit wild wippenden
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