Die Bestien - Thriller (German Edition)
Wasser in das Pissoir strömte, schloss er seinen Reißverschluss und verschwand eilig aus der Toilette.
Verfluchte Kleinstädter, lachte Jim innerlich.
Sobald er hier fertig war, würde er diese Stadt verlassen, den Weg zurück auf den Highway finden und sich ein nettes, billiges Motelzimmer suchen, in dem er sich heute Nacht aufs Ohr hauen konnte. In Billings gab es nichts …
Ein Schrei unterbrach seine Gedanken.
Jim drehte sich zu dem offenen Fenster hinter ihm um.
Als er die letzten Tropfen herauspresste, ertönte ein erneuter Aufschrei, dieses Mal lauter. Für Jim hörte es sich nach den Schreien eines Mädchens an. Sie klang, als erlitt sie Schmerzen.
»Wenn ich‘s dir doch sage, ich war nich‘ in der Hütte. Ich hab keine Ahnung, wovon du redest!«
»Lüg mich nicht an! Andrew hat gesehen, wie du rausgerannt bist. Ich frage dich also noch ein letztes Mal: Was hast du da drinnen gemacht? Antworte mir!«
Die zweite Stimme gehörte einem Mann. Er klang betrunken.
Jim packte seinen Schwanz wieder ein, schloss den Reißverschluss und spülte. Als er sich von dem Pissoir abwandte, hörte er einen Schlag, und dann drang erneut ein Schrei des Mädchens durch das Fenster, der direkt in Jims Eingeweide fuhr und heiße Wellen der Wut durch seinen Körper jagte.
Sein Instinkt befahl ihm, hinauszugehen, nachzusehen, was dort vor sich ging, und dem Mädchen zu helfen, falls es in Schwierigkeiten war.
Aber er zögerte.
Er wollte in nichts hineingezogen werden, das ihm Ärger einbringen konnte, nicht bei seiner Vergangenheit und schon gar nicht in irgendeinem schäbigen Cowboy-Nest.
Er wollte nicht wieder ins Gefängnis.
Jetzt weinte das Mädchen, der Mann lachte. Jim konnte nicht anders.
Nur mal nachschauen …
Er trat ans Fenster hinüber, hielt sich am Rand der Fensterbank fest und zog sich hoch.
Das Licht aus der Toilette ergoss sich nach draußen und erhellte den Hinterhof, in dem einige Mülltonnen und leere Kisten standen. Er sah ein Mädchen, das auf dem Boden kniete. Ihr langes blondes Haar umrahmte völlig zerzaust ihr Gesicht und verbarg ihr Aussehen. Ihr Weinen ließ sich jedoch nicht verstecken. »Nix«, schluchzte das Mädchen und hob den Blick. »Ich hab gar nix gemacht, nur geguckt, das war alles.« Jim drehte den Kopf, um zu sehen, mit wem sie sprach. Ein Stück außerhalb des Lichtscheins erhob sich ein massiger Schatten. Mit einfältiger Stimme sagte der Mann: »Und was ist mit der Blechdose, die du gestohlen hast, hä? Wieso hast du die mitgenommen?«
Der Schatten schlug nun mit irgendetwas auf das Mädchen ein. Seine Bewegungen waren schnell und kraftvoll, und Jim erkannte, dass er irgendetwas Langes, Schwarzes in Händen hielt. Dann hörte er das Geräusch von Leder auf Fleisch. Das Mädchen schrie erneut auf und hob ihre Arme.
Das war zu viel.
Jim stürmte aus der Toilette und blickte umher, er suchte den düsteren hinteren Bereich der Kneipe nach einer Hintertür ab. Als er ein Ausgangsschild entdeckte, hastete er darauf zu und riss die Tür auf.
Die frische Bergluft rauschte über ihn hinweg, als er die Stufen hinunterrannte, nach rechts abbog und an der Außenseite des Gebäudes zum Hinterhof eilte – dann blieb er stehen.
Der Mann hatte aufgehört, die Kleine mit dem Gürtel zu schlagen und presste sie nun gegen die Mauer, eine Hand an ihrer Kehle. Sie wurden nun beide vom Licht aus der Herrentoilette beschienen, aber was Jim an dem Mädchen zuallererst auffiel, war weder ihre errötende Haut noch ihr zitternder Mund – es waren ihre Augen, voller Tränen, entsetzlichem Schmerz und furchtbarer Angst. Die Ähnlichkeit traf Jim wie ein Schlag und saugte ihm sämtliche Atemluft aus.
Gott, sie sieht aus wie Suzie.
Der entfernte Lärm aus Gelächter und Musik im Inneren der Kneipe verklang allmählich, bis er schließlich nur noch das Weinen des Mädchens wahrnahm – dieses Mädchen, das aussah wie seine vor langer Zeit verstorbene Schwester.
Die Wut brach wie Lava aus einem spuckenden Vulkan aus Jim heraus. »Lass sie in Ruhe, du verfluchtes Schwein!«
Der Mann fuhr erschreckt zusammen. »Wer zur Hölle bist du denn?«, knurrte er.
Jim hinkte ein paar Schritte auf ihn zu. Ein Hauch von Schweiß und Blut wehte ihm entgegen. »Lass sie gehen, oder ich reiß dir deinen verdammten Kopf ab.«
Der Mann zögerte, ließ das Mädchen dann aber los. Sie fiel zu Boden und japste nach Luft.
»Es ist schon gut, Kleines, du bist jetzt in Sicherheit. Komm hier rüber zu mir.«
Das
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