Die Bestien - Thriller (German Edition)
war, doch falls er entdeckt wurde, würde er den Chief so schnell und so leise wie möglich beseitigen müssen. Kein Faustkampf dieses Mal. Es war unbedingt nötig, dass Jim zuschlug, bevor der Chief die Möglichkeit hatte, seine Waffe zu benutzen – angesichts der Tatsache, dass sich der Chief jedoch wie ein verwundetes Faultier bewegte, war Jim recht zuversichtlich, dass er diesen Kampf gewinnen würde. Durch jede Abweichung von seinem Plan gefährdete er Darlenes Chancen auf Erlösung, und das konnte er auf keinen Fall zulassen. Er musste versuchen, aus diesem Haus zu entkommen und – mit der Dose – wieder zur Mine zurückkehren, ohne von irgendjemandem bemerkt zu werden.
Der Chief taumelte zu einem der Sessel hinüber und setzte sich. Sein Rücken war nun dem Schrank zugewandt, sodass Jim sich ein wenig entspannen und einfach abwarten konnte, bis der Chief einschlief oder das Haus wieder verließ. Dann konnte er sich die Dose holen und wieder verschwinden.
Wo ist er gewesen?, fragte sich Jim. Für jemanden, der so krank war wie er, war es ein Wunder, dass er die Strapazen überhaupt auf sich nahm und das Haus verließ.
Was stimmte wohl nicht mit ihm? Hatte es etwas mit der Dose zu tun?
Muss es wohl.
Jim erinnerte sich an etwas, das Craig zu dem Chief gesagt hatte, kurz bevor sie Jim heute Morgen aus der Hütte geschleppt hatten: »Du hättest sie nicht öffnen sollen. Du hattest kein Recht, sie zu öffnen.«
Konnte das der Grund sein? Hatte er die Dose mit Craigs Seele geöffnet und war nun deswegen so krank? Er hatte nicht das Recht gehabt, sie zu öffnen … Was bedeutete das?
Jim dachte über diese Fragen nach, als der Chief plötzlich seine Arme in die Luft streckte.
Jim achtete jedoch nicht besonders darauf, was der Chief tat, bis er ihn murmeln hörte: »Bist du nicht ein hübscher Junge? Du bist das genaue Ebenbild deines Alten.«
Jim kniff die Augen zusammen, um zu sehen, was der Chief da in seinen Händen schaukelte als sei es ein wertvoller Edelstein. Aber es war kein Edelstein, es sah aus wie ein …
Vor Jims ungläubigen Augen verschwamm alles.
Oh. Mein. Gott.
Die Nabelschnur baumelte von dem winzigen Fötus wie ein Stück eines blutigen Seils. Die kleine Gestalt war von Blut und Schleim umhüllt, und als Jim die noch kaum ausgebildeten Händchen neben dem missgebildeten Körper sah, wandte er sich ab. Tränen rannen ihm über die Wangen. Er war kurz davor, aus dem Schrank zu springen und seine Hände um die Kehle des Chiefs zu legen. Er musste sich so sehr anstrengen, sich im Zaum zu halten, dass ihm Schweißbäche aus allen Poren liefen. Sein ganzer Körper bebte vor Wut.
»Endlich habe ich einen Sohn«, sagte der Chief und lachte, wurde jedoch sofort von einem Hustenanfall geschüttelt. Er ließ seine Arme wieder sinken, streckte eine Hand aus und griff nach der Whiskeyflasche. Er trank einen Schluck und bot die Flasche dann dem Fötus an, der in der hohlen Innenfläche seiner anderen Hand lag. »Wenn du mal so groß und stark werden willst wie dein alter Herr, dann musst du lernen, wie ein Mann zu trinken.«
Schweiß und Tränen strömten über Jims Gesicht. Er wusste, dass diese Menschen krank waren, besonders der Chief, aber das war einfach zu viel. Das ging weit über alles hinaus, was Jim im Gefängnis je gesehen oder gehört hatte. Er hätte sich etwas so Grauenhaftes niemals vorstellen können, wenn er es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte.
Arme Darlene.
Mein Gott, ich kann ihr das nicht erzählen. Das ist etwas, das ich mit mir ins Grab nehmen muss.
»Wenigstens etwas hat diese Hure richtig gemacht«, murmelte der Chief. »Sie hat mir einen Sohn geschenkt. Nicht so wie diese andere wertlose Schlampe.«
Jim empfand es als Gnade, dass er den Fötus nun nicht mehr sehen konnte, da der Sessel ihm die Sicht versperrte. Während er in der heißen Dunkelheit stand und so dringend frische Luft brauchte, dass er dachte, er falle in Ohnmacht, hörte Jim den Chief weinen. »Ich habe einen Sohn. Ich habe endlich einen Sohn«, schluchzte er.
Das blutige Handtuch fiel auf den Boden.
Das Schluchzen dauerte noch eine Zeit lang an, bis es sich schließlich in lautes Schnarchen verwandelte.
Ganz leise kletterte Jim aus dem Schrank.
Das Schreien des Babys erklang nun immer lauter und häufiger.
Was hat es denn?, fragte sich Darlene. Hatte es Schmerzen oder war es hungrig? Sie wusste es nicht. Sie wollte nur, dass es aufhörte.
»Höraufhöraufhöraufbittehörauf«, jammerte
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