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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Roth
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und mein Herz klopft wie wild. Ich versuche, mich zu beherrschen, aber ich schaffe es nicht.
    » Bei den Altruan wäre so etwas undenkbar!« Ich schreie es beinahe heraus. » Nichts davon! Niemals! Hier hat man ihn gebrochen und fertiggemacht, und es ist mir egal, ob man mich für eine Stiff hält, wenn ich das sage, es ist mir völlig egal!«
    Fours Augen wandern zu der Wand über dem Trinkbrunnen.
    » Vorsicht, Tris!«, sagt er, die Augen auf eine Stelle an der Wand gerichtet.
    » Mehr hast du nicht zu sagen?«, fauche ich ihn an. » Dass ich vorsichtig sein soll? Ist das alles?«
    » Du bist genauso schlimm wie die Candor, weißt du das?« Er packt mich am Arm und zerrt mich von dem Trinkbrunnen weg. Er tut mir weh, aber ich bin zu schwach, um mich von ihm loszureißen.
    Sein Gesicht ist so dicht vor meinem, dass ich die kleinen Sommersprossen sehe, die auf seiner Nase verteilt sind. » Ich werde dir das nicht noch einmal sagen, also hör gut zu.« Er legt mir die Hand auf die Schulter, seine Finger drücken mich, halten mich fest, ich komme mir ganz klein vor. » Sie beobachten dich. Speziell dich.«
    » Lass mich los«, sage ich matt.
    Er lässt mich sofort los und richtet sich auf. Der schwere Stein auf meiner Brust wird ein bisschen leichter, jetzt, da Four mich nicht mehr berührt. Seine so schnell wechselnden Stimmungen machen mir Angst. Sie zeigen, wie unbeständig er ist, und Unbeständigkeit ist etwas Gefährliches.
    » Beobachten sie dich auch?«, frage ich so leise, dass er mich nur hören kann, weil er so dicht neben mir steht.
    Er gibt mir keine Antwort. » Ich versuche immer wieder, dir zu helfen«, sagt er stattdessen, » aber du lässt es ja nicht zu.«
    » Ach ja, deine Hilfe«, sage ich. » Mir mit einem Messer das Ohr aufzuschlitzen, mich zu verspotten, mich öfter als irgendjemanden sonst anzuschreien, das ist ganz sicher hilfreich.«
    » Dich verspotten? Meinst du, als ich die Messer geworfen habe? Ich habe dich nicht verspottet«, sagt er verärgert. » Ich habe dich daran erinnert, dass jemand anderes deinen Platz einnehmen wird, wenn du versagst.«
    Ich lege die Hand schützend in meinen Nacken und denke an die Sache mit dem Messer zurück. Jedes Mal, wenn Four mich damals provoziert hat, warnte er mich davor aufzugeben, weil sonst Al sich vor die Zielscheiben hätte stellen müssen.
    » Warum?«, frage ich.
    » Weil du eine Altruan bist. Und weil du am mutigsten bist, wenn du dich verhältst wie eine Altruan.«
    Jetzt verstehe ich ihn. Er wollte mich nicht zum Aufgeben bewegen. Er hat mich daran erinnert, warum ich nicht aufgeben durfte– weil ich Al beschützen musste. Der Gedanke daran tut weh. Ich habe Al beschützt. Meinen Freund. Meinen Angreifer.
    Ich kann Al nicht so sehr hassen, wie ich es gerne wollte.
    Ich kann ihm aber auch nicht verzeihen.
    » An deiner Stelle würde ich mir mehr Mühe geben, deine Altruan-Reflexe zu verstecken«, sagt er. » Denn wenn die Falschen das herausfinden… dann sieht es schlecht aus für dich.«
    » Warum? Warum interessieren sie sich für meine Beweggründe?«
    » Deine Absichten und Gedanken sind das Einzige, was sie überhaupt interessiert. Sie wollen dir einreden, dass es sie interessiert, was du tust, aber das stimmt nicht. Sie wollen nicht, dass du auf eine bestimmte Art und Weise handelst, sie wollen, dass du auf eine bestimmte Art und Weise denkst. Dann bist du berechenbar. Und dann bist du keine Gefahr für sie.« Er stützt sich mit einer Hand gegen die Wand und lehnt seine Schläfe dagegen. Sein T-Shirt liegt so eng an, dass ich sein Schlüsselbein und das kleine Grübchen zwischen seiner Schulter und dem Armmuskel sehe.
    Ich wünschte, ich wäre größer. Dann würde man meinen schmalen Körperbau als » gertenschlank« und nicht als » kindlich« bezeichnen, dann würde er mich auch nicht wie seine kleine Schwester behandeln, die er beschützen muss.
    Ich will nicht die kleine Schwester für ihn sein.
    » Ich verstehe nicht, warum sie sich dafür interessieren, was ich denke, solange ich mich so benehme, wie sie es von mir erwarten.«
    » Im Moment benimmst du dich zwar so, wie sie es von dir erwarten«, sagt er. » Aber was geschieht, wenn dein von den Altruan programmiertes Gehirn dir sagt, dass du etwas tun sollst, was sie nicht wollen?«
    Darauf weiß ich keine Antwort. Ich weiß nicht einmal, ob er recht hat. Denke ich wirklich noch wie eine Altruan oder nicht doch wie eine Ferox?
    Vielleicht lautet die Antwort darauf: weder –

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