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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Roth
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ist trocken. Ich versuche, nicht an das Kribbeln zu denken, das mich immer, wenn er mich berührt, durchzuckt wie ein Stromschlag. » Wenn es nicht die eigenen Ängste sind, ist es leicht, mutig zu sein.«
    Ich lasse die Hand sinken und wische sie wie zufällig an meiner Hose ab. Ich hoffe, er hat es nicht bemerkt.
    Falls doch, dann zeigt er es nicht. Er verschränkt die Finger in meinen.
    » Komm mit«, sagt er. » Ich muss dir noch etwas anderes zeigen.«

26 . Kapitel
    Hand in Hand gehen wir zur Grube. Dabei achte ich genau darauf, wie fest mein Händedruck ist. In einem Moment denke ich, er ist nicht fest genug, im nächsten Moment fürchte ich, er ist zu fest. Ich habe nie verstanden, wieso Menschen sich beim Gehen an den Händen halten wollen, aber dann fährt Four mit der Fingerspitze über meine Handfläche und mir läuft ein Schauer über den Rücken, und da habe ich es endlich kapiert.
    » Also…« Ich knüpfe an den letzten vernünftigen Gedanken an, dessen ich mich entsinnen kann. » Vier Ängste. Four.«
    » Vier Ängste damals, vier Ängste heute«, sagt er und nickt. » Es sind immer noch dieselben, deshalb gehe ich immer wieder hinein, aber… ich habe noch keine Fortschritte gemacht.«
    » Man kann nicht ohne Ängste sein, das weißt du doch«, sage ich. » Weil man sich immer um etwas sorgt. Beispielsweise um sein eigenes Leben.«
    » Ja, ich weiß.«
    Wir gehen auf einem schmalen Steig, ganz am Rand der Grube; er führt hinunter zu den Felsen am Fuß der Schlucht. Mir ist er vorher noch nie aufgefallen, er sticht so gut wie nicht hervor. Aber Tobias scheint ihn gut zu kennen.
    Ich will den Augenblick nicht verderben, aber ich muss über seinen Eignungstest Bescheid wissen. Ich muss wissen, ob er ein Unbestimmter ist.
    » Du wolltest mir von den Ergebnissen deines Eignungstests erzählen«, erinnere ich ihn.
    » Ach…« Er kratzt sich mit der freien Hand am Rücken. » Ist das wichtig?«
    » Ja. Ich möchte es wissen.«
    » Du bist hartnäckig.« Er lächelt.
    Wir sind am Ende des Pfads angekommen und stehen nun am Fuß der Schlucht, wo der Boden felsig und uneben ist und steil aus dem tosenden Wasser emporragt. Four führt mich über Stock und Stein, über schmale Spalten und kantige Grate. Meine Schuhe bleiben an dem rauen Fels hängen, die Sohlen hinterlassen jedes Mal einen nassen Abdruck.
    Zielstrebig steuert er einen flachen Felsen direkt am Wasser an, wo der Strom nicht ganz so reißend ist. Er setzt sich hin und lässt die Füße baumeln. Ich setze mich neben ihn. Es scheint ihm nichts auszumachen, nur eine Handbreit über dem gefährlichen Wasser zu sitzen.
    Er lässt meine Hand los. Ich betrachte die zerklüfteten Felsen.
    » Das sind Dinge, über die ich nicht mit anderen spreche. Nicht einmal mit meinen engsten Freunden«, sagt er.
    Ich verschränke die Finger ineinander und lege die Hände zusammen. Hier wäre der ideale Ort, um mir anzuvertrauen, dass er ein Unbestimmter ist, wenn er es denn tatsächlich ist. Das donnernde Wasser sorgt dafür, dass niemand uns hört. Ich weiß nicht, warum ich bei dem Gedanken daran so aufgeregt bin.
    » Mein Ergebnis war wie erwartet«, sagt er. » Altruan.«
    » Oh.« Etwas in mir zerplatzt. Ich habe mich in ihm getäuscht.
    Wenn er kein Unbestimmter ist, dann hätte ich angenommen, dass zumindest sein Testergebnis ihn als Ferox ausweist und nicht als Altruan. Aber genau genommen hat mich der Test ja auch den Altruan zugeteilt– laut Eintragung ins System. War es bei ihm vielleicht genauso? Und wenn ja, warum sagt er mir nicht die Wahrheit?
    » Und du hast dich trotzdem für die Ferox entschieden?«
    » Es ging nicht anders.«
    » Was war der Grund?«
    Er starrt ins Leere, als suche er dort nach einer Antwort. Er muss mir gar keine Antwort geben. Ich spüre immer noch den Striemen auf meinem Arm von dem Gürtelhieb.
    » Du bist deines Vaters wegen weggegangen«, sage ich. » Ist das der Grund, warum du kein Anführer der Ferox sein willst? Denn wenn du einer wärst, müsstest du ihm wiederbegegnen.«
    Er zuckt die Schulter. » Das, und weil ich schon lange das Gefühl habe, dass ich doch nicht voll und ganz zu den Ferox gehöre. Nicht zu den Ferox, wie sie jetzt sind jedenfalls.«
    » Aber du bist… du bist so unglaublich…« Ich halte inne und räuspere mich. » Nach den Maßstäben der Ferox bist du unglaublich gut. Zu welcher Fraktion solltest du denn sonst gehören?«
    Er zuckt die Achseln. Seine herausragenden Talente und sein hohes Ansehen

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